SOLIDARISCHE WEGE AUS DER KRISE

Führende Vertreterinnen und Vertreter der SPD Sachsen-Anhalt, Fachleute aus Landesregierung und Landtagsfraktion haben gemeinsam ein Impulspapier für „Solidarische Wege aus der Krise“ vorgelegt. In elf Fachkapiteln von der Familien- bis zur Wirtschaftspolitik beschreiben die 13 Autorinnen und Autoren, wie aus sozialdemokratischer Sicht in den nächsten Monaten die Weichen gestellt werden müssen, um erfolgreich aus der Krise zu kommen. Dabei soll der Innovationsschub, der zum Beispiel in der Digitalisierung gerade stattfindet, auch für die Zeit nach Corona genutzt werden.

Viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus Sachsen-Anhalt haben sich zusammengetan, um mit diesem Papier zu beschreiben, wie Wege aus der Krise aussehen können. Wie bekämpfen wir die Pandemie und gewinnen neue Freiräume? Wie nutzen wir die Veränderungen, in denen wir mittendrin sind, um unser Land wieder stärker zu machen? Wie können wir alle gemeinsam von der neuen Kraft des Zusammenhalts profitieren?

Wer behauptet, er hat einen Masterplan, um das Land wieder „hochzufahren“, der lügt. Denn die viel beschworenen „Lockerungen“ sind ein dynamischer Prozess, der davon abhängt, dass Infektionszahlen nicht wieder steigen, dass wir mehr über das Corona-Virus und seine Bekämpfung lernen, dass wir im Alltag neue Sicherheit schaffen. Deshalb geht es in diesem Papier an vielen Stellen um praktische Erleichterungen, aber nicht um einen Königsweg. Entscheidend ist für uns: Im schrittweisen Vorantasten dürfen nur die Beschränkungen aufrechterhalten werden, die zwingend erforderlich sind, um die Verbreitung von Covid-19 einzudämmen; und es können nur die Freiräume genutzt werden, in denen Begegnungen von Menschen guten Gewissens wieder zugelassen werden können.

Aber:

Wer nicht über den Tag hinaus denkt, der kümmert sich nicht um die Zukunft Sachsen-Anhalts. So wenig wir die Schrittfolge der nächsten Wochen schon jetzt sicher bestimmen können, so wichtig ist es zu wissen, wohin der Weg führen soll. Darum geht es in diesem Papier: Welche Weichen wir in den nächsten Monaten stellen wollen, um das Land auf einen solidarischen, erfolgreichen Weg aus der Krise zu bringen.

Und noch eine Bemerkung vorab:

Die Demokratie ist nicht im Lockdown. Die Maßnahmen, die von der Landesregierung im Kampf gegen die Pandemie beschlossen wurden, unterliegen ebenso der Diskussion, der Kritik und der Kontrolle wie die Schritte zu ihrer Lockerung. Gerade die Fähigkeit zur kritischen Debatte, in der Politik wie in der Wissenschaft, macht offene Gesellschaften stark, flexibel und handlungsfähig in der Krise. Dieses Papier ist ein Beitrag zu dieser Debatte.

Und deshalb gehört zu den Freiheiten, die wir Schritt für Schritt wieder möglich machen wollen, nicht nur der Besuch im Biergarten, sondern auch die freie Betätigung der demokratischen Parteien. Wir alle brauchen wieder die offene Begegnung mit den Bürgerinnen und Bürgern, die Debatte in Versammlungen und Veranstaltungen und irgendwann auch wieder den Wahlkampf unter freiem Himmel. Damit all das wieder möglich wird, ist heute noch unsere Disziplin gefragt. Es lohnt sich – für den Biergarten und für die Politik.

Juliane Kleemann und Dr. Andreas Schmidt

Wirtschaft:

  • Soforthilfe für kleine Unternehmen verlängern
  • Ausgleich für ausfallenden „Unternehmerlohn“ von Solo-Selbständigen
  • Lockerungen vordringlich für die Gastronomie
  • Erfolgreiche Ansiedlungspolitik fortführen und verstärken
  • Medizinische und pharmazeutische Produktion in Sachsen-Anhalt stärken

Arbeit:

  • ALG I auf zwei Jahre verlängern, Kurzarbeitergeld nach zwei Monaten anheben
  • Recht auf Weiterbildung während der Kurzarbeit
  • Ausbildungen absichern und neue Ausbildungsbeginne unterstützen
  • 12 Euro Mindestlohn
  • Staatsbeteiligungen an gefährdeten Betrieben

Schule:

  • Landesweite Hygienestandards von Arendsee bis Zeitz
  • Schülerbeförderung mit Abstandsregeln und kürzeren Fahrten
  • Leistungsunterschiede aus dem „Home Schooling“ aufarbeiten; kein Sitzenbleiben
  • Ab Pfingsten verlässlicher Wechsel von häuslichem Lernen und Präsenzphasen
  • Digitale Erfahrung aus der Corona-Krise in den Regelunterricht mitnehmen
  • Endgeräte für alle SchülerInnen, zunächst ab der 8. Klasse

Hochschule:

  • Keine Nachteile durch ausfallende Lehrveranstaltungen
  • Hochschulnetze, Digitalisierung von Lehre und Bibliotheken ausbauen
  • BAföG öffnen und aufstocken

Kultur:

  • Zeitgleich mit Museumsbesuchen auch kleine Theaterveranstaltungen ermöglichen
  • Bewilligte Fördermittel auch bei ausfallenden Veranstaltungen ausreichen
  • Fonds für Honorarausfälle und Einnahmeverluste; Stipendienfonds verdoppeln
  • Digitale Kulturformate unterstützen

Kinder und Familien:

  • Kitas: von erweiterter Notbetreuung schrittweise zum eingeschränkten Regelbetrieb
  • Beitragserstattung bei Bedarf auch über Mai 2020 hinaus
  • Spielplätze öffnen; Beaufsichtigung sicherstellen
  • Familiäre Krisensituation im „Lockdown“ durch Beratungsangebote meistern
  • ZASt Halberstadt: nach Quarantäne kleinere Wohneinheiten – nicht nur für Familien

Bevölkerungsschutz:

  • Ausreichende Bevorratung mit Material für den Bevölkerungsschutz
  • Landesreserven für längere Krisenlagen
  • Investitionen in die Technik des Katastrophenschutzes

Finanzen von Land und Kommunen:

  • Rettungsschirm für Kommunen: Sofortprogramm und Erhöhung der Investpauschale
  • 100-Prozent-Förderung für kommunale Investitionen
  • 700 Millionen Euro Investitionsstau in Krankenhäusern abbauen
  • Investitionshilfen und Bürgschaften für den Tourismus in Sachsen-Anhalt
  • Insgesamt zwei Milliarden Euro zusätzliche Investitionen 2021 bis 2025

Von Juliane Kleemann

Wir leben momentan in einer Krise, die sich über die ganze Welt ausgebreitet hat. Kein Winkel dieser Erde ist von der Covid-19-Pandemie wirklich ausgeschlossen. Die Ansteckungsgefahr ist real, nicht weit weg, ganz nah und sehr persönlich. Allmählich kennt jeder und jede jemanden, der mindestens jemanden kennt, die an Covid-19 erkrankt ist.

Mehr denn je ist es wichtig, solidarisch zu sein mit den Betroffenen dieser Krise. Da sind die Kranken an erster Stelle, dann diejenigen, die in den unterschiedlichen medizinischen und pflegerischen Berufen bis an die Grenze der Belastung arbeiten. Da sind die, die gerade nicht wissen, ob sie in den nächsten Wochen überhaupt noch Geld verdienen, ob ihre Arbeit bleibt, ihre Firma überlebt. Da sind die, die sich fragen, wie sie in ihrer Arbeit gesund bleiben können. Da sind die Wirte und Hoteliers. Da sind die Menschen in den Vereinen. Da sind die Menschen in den Freizeit- und Bildungseinrichtungen. Da sind die Künstler. Da sind die vielen Freiberufler. Da sind… – die Liste kennt kein Ende, denn die Pandemie betrifft alle. Um allen zu helfen, braucht es die lebendige Solidarität. Mit finanziellen Hilfen durch den Bund und das Land können wir manche Not beseitigen. Aber damit wird es nicht getan sein. Denn die Pandemie hat uns abrupt Grenzen aufgezeigt, die wir lange ignorieren konnten. Das ist nun wirklich vorbei. Wir brauchen daher jetzt neben finanziellen Hilfen auch Ideen, wie wir anders miteinander leben, nachhaltiger, aufmerksamer, eben solidarischer.

Die Menschen in unserem Land haben die Einschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus mit großer Disziplin und ebenso großer Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfe und Zusammenhalt angenommen. Dabei sind die Baustellen, die wir schon vor der Pandemie gesehen haben, in einer besonders gravierenden Art noch sichtbarer geworden: Die Ausstattung mit Gesundheitsgütern, wie Schutzmasken und medizinischen Schutzanzügen hat sich als für den Fall einer Pandemie zu gering erwiesen. Die Abhängigkeit von weltumspannenden Lieferketten für diese Güter sowie für Medikamente macht unser Gesundheitssystem im Falle einer weltweiten Krise verletzlich. Der Sanierungsstau in den Schulen wird vielerorts sichtbar, zum Beispiel am Zustand der Sanitäreinrichtungen sowie an der Möglichkeit des digitalen Lernens.

Die Krise zeigt auch, dass ein starker handlungsfähiger Staat nötig ist, damit in der Not nicht jeder auf sich allein geworfen ist, sondern von einer gemeinsamen Stärke profitieren kann. Ein starker demokratischer Staat erweist sich in der Krise durchaus als solidarisch handlungsfähig. Davon haben am Ende alle etwas, auch wenn es nicht für alle sofort sichtbar wird. Solidarität ist kein Luxusgut, sondern der Kitt einer demokratischen Gesellschaft. Das können wir aus der Krise lernen.

Vor uns liegt die große Aufgabe, zu einer neuen Normalität zu finden. Das wird ein etwas längerer Weg werden. Das Wirtschaftsleben in all seinen Facetten muss wieder in Gang und mit den Veränderungen durch die Pandemie zurechtkommen müssen. Wir werden umzugehen haben mit Enttäuschungen, mit Abbrüchen, mit vielen Fragezeichen. Dafür brauchen wir gegenseitige Solidarität.

Solidarität rettet Leben. Der Zugang zu medizinischen Leistungen, unabhängig von der individuellen Einkommenssituation, ein Gesundheitswesen, das diesen Zugang auch realisieren kann und ein Netz von Trägern sozialer Dienste waren und sind für Millionen Menschen lebensrettend.

Solidarität ist in diesen Tagen und Wochen für viele eine Lebenserfahrung geworden. Das soll so bleiben. Solidarität als eine Lebenshaltung gerade in der Krise macht eine funktionierende Zivilgesellschaft aus. Dafür lohnt es sich in dieser Zeit besonders zu streiten. Die vielen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten in unserem Land zu sehen, ist in der Krise eine der guten Erfahrungen. Wenn wir es schaffen, diese guten gemeinsamen Erfahrungen nach Corona wenigstens in Teilen zu erhalten, dann kann das unsere Gesellschaft wirklich nachhaltig stärken und solidarischer machen.

Solidarität und Gerechtigkeit sind auch Quelle von wirtschaftlicher Entwicklung. Jahrzehntelang wurde in Deutschland Arbeit in der Alten- und Krankenpflege, der Kindererziehung und anderen sozialen Berufen, aber auch in weiteren zahlreichen Dienstleistungsbranchen wie dem Einzelhandel so schlecht bezahlt, dass zu einer angemessenen Einkommensentwicklung eine flächendeckende Durchsetzung von Tarifbindung längst nicht ausreichen würde. Das Einkommensgefüge zwischen Berufen in sozialen Dienstleistungen und kaufmännischen sowie Industrieberufen muss grundsätzlich korrigiert werden.

Die Pandemie muss der Weckruf für eine grundlegende Veränderung der Einkommensverhältnisse in sozialen Berufen und eine dementsprechende Finanzierung von Pflege und Gesundheitsdienstleistungen sein. Die Debatte um Sonderzahlungen lenkt von dieser Notwendigkeit eher ab, als dass sie sie befördert. Vor unserem Land stehen mehr als drei Jahrzehnte, in denen die geburtenstarken Jahrgänge der Baby-Boomer das Alter erleben, in dem sie Pflege und medizinische Behandlung benötigen. Diese Jahrgänge bedürfen der Solidarität und ebenso die Angehörigen der sozialen Berufe, deren Zahl wachsen muss.

Diese Veränderung wird viel Geld kosten. Es muss Schluss damit sein, dass sich ganze gesellschaftliche Gruppen der solidarischen Finanzierung von Gesundheit und Pflege entziehen. Diese Veränderung hebt aber auch ein enormes Potential von Kaufkraft und wirtschaftlichem Wachstum.

Wir haben Jahre hinter uns, in denen viele der Menschen, deren Interessen wir vertreten, unsere Antworten nicht hören wollten. Jahre, in denen Zusammenhalt als gestrig und alt abgetan wurde und in denen viele im Bekanntenkreis Bestätigung und Akzeptanz erfuhren, wenn sie ein Loblied des Egoismus und der Anspruchshaltung sangen. In diesen Tagen erfahren alle sehr nachdrücklich, wie schnell man – allein auf sich gestellt – unter die Räder kommen kann und wie sehr wir alle von der Arbeit, der Freundlichkeit und Rücksichtnahme, vom Zusammenhalt über den engen Familienkreis, soziale Grenzen und nationale Schranken hinweg abhängen.

Nach der Hochphase der Pandemie wird es darum gehen müssen, die Lehren der dann vergangenen Monate in aktuelle Politik umzusetzen. Da dürfen wir nicht versagen. Es wird dann um anständige Löhne für diejenigen gehen, die jetzt unser Land in aller Entschleunigung am Laufen halten. Es wird darum gehen, brachliegende Branchen in allen Bereichen wieder lebendig zu bekommen. Es wird darum gehen, die Wirtschaft derart neu auszurichten, dass regionale und lokale Stärken Teil des größeren Ganzen sind. Es wird im Großen darum gehen, eine andere Art globalisierter Welt zu gestalten, in der weiterhin viel miteinander geht, aber eben auch vieles gut regional – ohne freilich in Nationalismen zu verfallen. Eine wichtige Zukunftsaufgabe für uns und damit für die nachkommenden Generationen.

Und: bei aller Sorge um das eigene Land brauchen die Geflüchteten und Fliehenden unsere Solidarität. Die Bilder aus Moria oder Idlib oder von anderen Orten können uns nicht kalt lassen. Wir wissen, dass viele an einer Lösung arbeiten. Für uns hier heißt die Aufgabe, mit unseren Mitmenschen gerade auch für diese Menschen das Herz und die Augen und die Ohren nicht zu verschließen. Es gilt immer: jedes Menschenleben ist wertvoll.

Corona bietet die Chance umzulernen, neu zu lernen und gestärkt weiterzugehen. Auch wenn das vielleicht noch für manch einen utopisch klingt. Die Chance sollten, nein müssen wir nutzen.

Von Petra Grimm-Benne und Beate Bröcker

Ausnahmesituation

Fest steht: Eine solche absolute Ausnahmesituation wie die derzeitige Pandemie hatten wir in Deutschland und in Sachsen-Anhalt zu unseren Lebzeiten bisher noch nicht. Wir sind nicht nur Zeuge eines künftig sicher als historisch einzuordnenden Ereignisses, sondern wir sind selbst mittendrin. Und weil diese Situation für uns alle neu ist, gibt es kein Erfahrungswissen, auf das man zurückgreifen könnte. Planlos sind wir deshalb nicht. Wir greifen bei unserem Handeln und unseren Entscheidungen auf Expertenwissen und fest etablierte Strukturen zurück.

Dazu gehören der Nationale Pandemieplan und der Pandemierahmenplan Sachsen-Anhalts – 2006 erstmals veröffentlicht und zuletzt am 5. März 2020 aktualisiert. Und dazu gehören weiter die Expertise des Robert-Koch-Institutes, weiterer Wissenschaftler und Experten sowie der Gesundheitsbehörden und -einrichtungen unseres Landes.

Das Gesundheitsministerium im Fokus

Die Ende 2019 erstmals in China in Erscheinung getretene und Anfang dieses Jahres weltweit ausgebrochene Atemwegserkrankung Covid-19 ist seit Ende Januar 2020 auch in Deutschland präsent. In Sachsen-Anhalt wurde die erste Infektion mit dem neuartigen SARS-CoV-2-Erreger am 10. März bestätigt. Seitdem ist die Zahl der nachgewiesenen Infektionen in unserem Bundesland bis zum 25. April auf rund 1.500 Fälle gestiegen. Rund 170 Personen wurden bereits bzw. werden gegenwärtig im Krankenhaus behandelt, 36 Personen sind leider seit Ausbruch der Pandemie in Sachsen-Anhalt an Covid-19 gestorben. Von den gemeldeten Fällen gelten nach Schätzungen mehr als 1.000 Personen als genesen.

Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt hat sich als oberste Gesundheitsbehörde frühzeitig auf die derzeitige Pandemie eingestellt und noch vor Auftreten des ersten bestätigten Covid-19-Falls in Sachsen-Anhalt den Einsatzstab Pandemie einberufen. Zu dessen Aufgaben gehören unter anderem die Erstellung und Fortschreibung des aktuellen Lagebildes und regelmäßige Information der Landesregierung, die Koordination der Informations- und Meldeketten innerhalb des Landes, die Zusammenarbeit mit dem Bund und mit den anderen Bundesländern, die Koordination von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und natürlich die Beschaffung nötiger persönlicher Schutzausrüstung. Der Pandemiestab besteht aus rund 35 Beschäftigten sowie externen Sachverständigen und arbeitet derzeit an sieben Tagen in der Woche im Zweischichtbetrieb.

Strategie gegen die Pandemie

Das Ziel unserer Anstrengungen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie ist gegenwärtig nach wie vor die „Detection-and-Containment“-Strategie. Das bedeutet, wir versuchen die einzelnen Infektionen frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu treffen, welche die Verbreitung des Virus möglichst lange verzögern. Dazu gehört, Verdachtsfälle durch labormedizinische Testungen auf Infektionen zu prüfen,  Ansteckungsverdächtige zu ermitteln und Infektionsketten vor allem durch Quarantänemaßnamen zu unterbrechen.

Wir verfügen im Land über hohe Testkapazitäten. Derzeit werden in den Laboren in Sachsen-Anhalt durchschnittlich rund 2.000 Proben täglich durchgeführt. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine tägliche Probenzahl in Höhe von rund 8.000 sowie bei Bedarf eine Steigerung auf bis zu 13.800 Proben möglich.

Gleichzeitig verfolgen wir bereits die „Protection“-Strategie. Dabei geht es um den Schutz aller für Covid-19-Infektionen besonders anfälligen Personengruppen. Dazu gehören vor allem ältere Menschen, aber auch Menschen jeden Alters mit bestimmten Vorerkrankungen.

All die beschriebenen Maßnahmen dienen zum einen dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor weiteren Infektionen. Zum anderen dienen sie dem Zweck, unser Gesundheitswesen nicht zu überlasten. Wir alle kennen die Nachrichtenbilder von überfüllten Krankenhäusern in Italien, von hohen Todesraten, verzweifelten Ärzten und einem überforderten Gesundheitssystem.

Gut aufgestellte Krankenhäuser

Eine solche verschärfte Situation mit einer Überlastung der Versorgungsstrukturen gilt es in Sachsen-Anhalt zu verhindern. Unsere Krankenhäuser im Land sind gut aufgestellt. Alle Kliniken, die für die Versorgung von Covid-19-Patienten infrage kommen, sind eingebunden und haben ihre Kapazitäten gemeldet. Die Kapazität der Intensivbetten liegt derzeit bei rund 650 und kann bei Bedarf auf bis zu rund 1.200 nahezu verdoppelt werden unter der Maßgabe, dass der Bund wie angekündigt zusätzliche Beatmungsgeräte und Patientenmonitore liefert. Darüber hinaus bereiten wir aktuell die zeitweise Umwandlung von Rehabilitationseinrichtungen in Krankenhäuser zur Aufnahme weiterer Patienten vor.

Alle Anstrengungen der Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt waren und sind derzeit darauf gerichtet, bestmöglich auf die stationäre Behandlung von Covid-19-Patienten vorbereitet zu sein. Das erfordert auch zusätzlichen finanziellen Aufwand. Deshalb war es richtig, dass wir innerhalb der Landesregierung entschieden haben,  die pauschalen Fördermittel des Landes für Krankenhausinvestitionen für das laufende Jahr in Höhe von 43 Millionen Euro den 47 Krankenhäusern bereits im April auszuzahlen. Dies hat den Kliniken geholfen, Liquidität sicherzustellen, um sich auf anstehende Corona-Wellen vorzubereiten. Darüber hinaus stellen wir den Kliniken im Rahmen des beschlossenen Nachtragshaushaltes 25 Millionen Euro zur pauschalen Förderung von Krankenhausinvestitionen, vor allem zur Beschaffung von Geräten, zur Verfügung. Außerdem hat das Land den Krankenhäusern eine Pauschale für freigehaltene Betten zur Behandlung weiterer Covid-19-Patienten ausgezahlt. Zusammen mit der beim Bund beantragten Förderung für zusätzliche Intensivbetten entspricht dies Mitteln in Höhe von bis zu 60 Millionen Euro.

Attraktivere Pflege

In Sachsen-Anhalt hilft uns zudem, dass wir frühzeitig das Schulgeld für angehende Pflegerinnen und Pfleger abgeschafft und attraktive Ausbildungsbedingungen haben. Wir haben keine Lücken bei den Azubis, sondern viele hochmotivierte und engagierte angehende Pflegerinnen und Pfleger, von denen die zweiten und dritten  Ausbildungsjahrgänge die Kliniken derzeit im praktischen Einsatz unterstützen. Froh sind wir außerdem, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in diesem Monat bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte durchgesetzt hat. Dazu zählen höhere Mindestlöhne und mehr Urlaubstage. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Anerkennung dieser verantwortungsvollen Arbeit und zur weiteren Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes.

Wir beschaffen Schutzausrüstung

Fest steht: Derzeit steht noch kein Impfstoff oder Medikament zur Verfügung. Bis dahin ist mit weiteren Infektionen zu rechnen. Unser Ziel ist es deshalb, im Rahmen der oben beschriebenen Strategie sowohl die Bevölkerung als auch vor allem die im Gesundheitswesen tätigen Beschäftigten vor Ansteckungen zu schützen. Dazu trägt maßgeblich persönliche Schutzausrüstung bei. Neben zentraler Beschaffung durch den Bund betreibt der Pandemiestab eine intensive Beschaffung von Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln, um diese an die Gesundheitsämter der Landkreise und kreisfreien Städte zur Verteilung unter anderem an die Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialdienstes weiterzuleiten. Inzwischen haben wir rund drei Millionen Handschuhe und etwa 5,1 Millionen Schutzmasken beschafft. Weitere Lieferungen zentral durch das Gesundheitsministerium beschaffter persönlicher Schutzausrüstung stehen fortlaufend an.

Daneben kümmern wir uns auch um die Beschaffung von dringend benötigter Schutzausrüstung und  Desinfektionsmitteln direkt von Unternehmen aus dem Land. Inzwischen werden etwa in Weißenfels mehr als 48.000 Liter Desinfektionsmittel für den Gesundheitsbereich in Sachsen-Anhalt produziert und abgefüllt. Weitere Unternehmen – etwa aus der Lutherstadt Eisleben oder aus Köthen (Anhalt) – stehen in den Startlöchern, wenn es um die innovative Produktion von Schutzkitteln oder Schutzmasken geht. Auch an diesem Beispiel wird deutlich, dass wir in Sachsen-Anhalt starke Unternehmen haben, die bereit und in der Lage sind, flexibel auf neue Situationen zu reagieren. Damit könnten gewisse Abhängigkeiten von anderen, weit entfernten Produktionsstandorten verringert werden.

Wir sind dem Logistik-Bataillon 171 der Bundeswehr aus Burg für die Unterstützung bei der Annahme und Verteilung der Lieferungen im Rahmen der Amtshilfe sehr dankbar, unsere Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.

Informationsfluss

Während dieser Pandemie ist es zugleich sehr wichtig, die Bevölkerung über die Medien fortlaufend zu informieren und für ihre einzelnen Fragen ansprechbar zu sein. Wir haben dazu frühzeitig Infotelefone beim Landesamt für Verbraucherschutz eingerichtet. Zum einen können sich die Bürgerinnen und Bürger bei allgemeinen Fragen zum Corona-Virus informieren, zum anderen stehen Experten der Hotline den Arbeitgebern und Beschäftigten bei Fragen zum Arbeitsschutz zur Verfügung, auch am Wochenende. Auf den Internetseiten des Gesundheitsministeriums und der nachgeordneten Behörden werden fortlaufend alle relevanten Informationen veröffentlicht. Eingehende Fragen von Bürgern, Unternehmen und Verbänden werden schnellstmöglich beantwortet, Hinweise und Angebote entgegengenommen und weiterverfolgt. Positive Rückmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer zeigen, dass unsere Experten in den Hotlines gute und wichtige Arbeit machen.

Außerdem kooperiert unser Einsatzstab Pandemie eng unter anderem mit dem Sachverständigenbeirat, mit den Gesundheitsämtern, mit der Kassenärztlichen Vereinigung sowie mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse. Darüber hinaus stimmt sich das Gesundheitsministerium mittels zahlreicher wöchentlicher Telefon- und Videoschaltkonferenzen mit den Landräten und Oberbürgermeistern sowie den Kommunalen Spitzenverbänden, mit der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, mit den Gewerkschaften und verschiedenen Bundesministerien ab. Mehrfach pro Woche stimmen wir unsere Maßnahmen zudem in Telefonschaltkonferenzen mit dem Bundesgesundheitsministerium unter Teilnahme von Bundesminister Spahn sowie mit den Gesundheitsministern der Länder ab.

Engagement in Zeiten von Corona

Von den geschlossenen Einrichtungen wie Alten- und Service-Zentren sowie Mehrgenerationenhäusern und den derzeitigen Kontaktbeschränkungen sind vor allem ältere Menschen betroffen. Gerade sie zählen zur Risikogruppe und sind angehalten, ihre Wohnungen möglichst nicht zu verlassen und soziale Kontakte auf ein Minimum zu beschränken. Das führt nicht selten auch zu Einsamkeit und erzeugt neuen Hilfebedarf. Deshalb sind wir sehr dankbar für das freiwillige Engagement in der Zeit der Corona-Krise. In vielfältigen Nachbarschaftshilfen im ganzen Land kümmern sich Menschen um unterstützungsbedürftige Mitmenschen, kaufen für sie mit ein oder erledigen den Gang in die Apotheke. Andere Helfer rufen Menschen in ihrem Umfeld, die zu Risikogruppen gehören, an und erreichen damit jene, die besonders einsam und verunsichert sind.  Aneinander denken, aufeinander aufpassen und sich umeinander kümmern – das ist gelebte Solidarität der Menschen in Sachsen-Anhalt, und für dieses Engagement sind wir sehr dankbar.

Wir sind uns bewusst, dass die derzeitige Situation den Menschen in Sachsen-Anhalt viele Entbehrungen und Einschränkungen abverlangt. Deshalb wissen wir es sehr zu schätzen, dass sich die Bevölkerung weitestgehend an die notwendigen Vorgaben hält und mit ihrem verantwortungsvollen Verhalten maßgeblich dazu beiträgt, die weitere Ausbreitung des Corona-Virus in unserem Land zu verhindern.

Mittendrin in der Pandemie

Wir sind derzeit noch mittendrin in der Covid-19-Pandemie. Es ist nicht absehbar, wie sich die Infektionszahlen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln. Das hängt von vielen Faktoren ab, vor allem vom Verhalten der Menschen in unserem Land. Wir können heute noch nicht vorhersagen, wann wir die Pandemie überstanden haben, wie sie für uns ausgeht und welche Maßnahmen bis dahin getroffen werden müssen. Deshalb wäre es vermessen, jetzt schon fertige Antworten darauf geben zu wollen, wie mit künftigen Pandemien am besten umzugehen ist. Wir sind alle miteinander ein lernendes System, bewerten das Geschehen täglich neu, ziehen daraus Schlussfolgerungen, stimmen uns mit anderen ab, treffen gemeinsam Entscheidungen und kümmern uns um drängende Anliegen.

Mit Sicherheit lässt sich jedoch schon heute sagen: Wenn wir die Pandemie bewältigt haben und das gesellschaftliche Leben zur Normalität zurückgekehrt ist, dann werden wir uns ausreichend Zeit nehmen, unseren Umgang mit der Pandemie auszuwerten und Schlussfolgerungen für künftige Krisen zu ziehen. Dafür werden wir mit Experten sowie allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen diskutieren und Fragen formulieren, auf die wir gemeinsam Antworten finden wollen.

Bewertung der aktuellen Corona-Krise und Schlussfolgerungen für die Zukunft

Ein Themenkomplex wird sich mit der Frage beschäftigen müssen, wie unsere Krankenhäuser mit der Corona-Pandemie umgegangen sind. Wie schnell konnten sich die Kliniken auf die Aufnahme von Covid-19-Patienten vorbereiten? Gab es personelle, materielle oder finanzielle Schwierigkeiten bei der Fokussierung auf die Pandemie? Wie wirkten sich Einnahmeausfälle durch verschobene Operationen auf die Liquidität der Krankenhäuser aus?

In dieser Pandemie zeigt sich, wie wichtig der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist. Die Beschäftigten im Landesamt für Verbraucherschutz und in den örtlichen Gesundheitsämtern der Landkreise und kreisfreien Städte sind derzeit enorm eingebunden und gefordert, immer hart an der Belastungsgrenze. In Auswertung der Pandemie werden wir uns auch die Frage beantworten müssen, ob wir den ÖGD personell und materiell weiter stärken müssen, um künftige Krisen noch besser zu bewältigen. Müssen wir die Anreize für die Berufe des ÖGD attraktiver machen, um ausreichend Personal zu finden, vom Laboranten bis zum Mediziner?

Wie funktionierten das Informationsmanagement und die Informationsketten im Zusammenspiel der Behörden des Bundes, des Landes und der Kommunen? Wo sind aktuelle Zuständigkeitsverteilungen sinnvoll und effektiv, und wo müssen sie gegebenenfalls verändert werden? Welche Erkenntnisse nehmen wir mit aus der Krise mit Blick auf Arbeitsschutz- und Hygienestandards in Betrieben und Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitsdienstes? Wie sorgen wir in solchen Krisenzeiten für den sozialen Schutz der Beschäftigten? Reichen die derzeitigen Instrumente wie Grundsicherung und Kurzarbeitergeld? Mit welchen Programmen helfen wir den Beschäftigten in einer Zeit, in welcher der Arbeitsmarkt durch die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zunehmend unter Druck gerät?

Klar ist: Während wir noch mittendrin in der Corona-Pandemie sind, stellen sich schon heute erste Fragen für die Zeit danach. Und das ist auch gut so. Denn wir befinden uns in einem kontinuierlichen Lernprozess, der in einen Gestaltungsprozess mündet. Es ist jeder herzlich eingeladen, an diesem Prozess mitzuwirken. Damit wir zusammen gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Von Prof. Dr. Armin Willingmann und Thomas Wünsch

Die Corona-Pandemie stellt auch die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt vor eine große Belastungsprobe. Das „Einfrieren“ des öffentlichen Lebens hat für die Unternehmen im Land erhebliche Folgen. Manche Unternehmen stehen vor einer ungewissen Zukunft. Damit bedroht die Corona-Krise auch zahlreiche Arbeitsplätze. In dieser Situation hat eine gute Wirtschaftspolitik vor allem zwei Aufgaben.

Zum einen muss ein Augenmerk darauf gelegt werden, den Unternehmen in der Krise unmittelbar zu helfen, um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Mit dem bereits im März gestarteten Programm „Sachsen-Anhalt Zukunft“ wurde ein Instrument geschaffen, das den Unternehmen des Landes durch diese schwierige Zeit hilft. Das Programm besteht aus drei Bausteinen, die auf die Besonderheiten der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt passgenau ausgerichtet sind. Der Kern von „Sachsen-Anhalt Zukunft“ ist ein Zuschussprogramm zur Hilfe für Selbstständige und Unternehmen mit bis zu fünfzig Mitarbeitern. Aktuell läuft die Bundesfinanzierung der Soforthilfe, die sich ausschließlich an Unternehmen mit maximal zehn Mitarbeitern richtet, am 31. Mai 2020 aus.

Schon heute ist aber absehbar, dass viele Unternehmen auch nach diesem Datum noch mit den Folgen von Corona zu kämpfen haben werden. Es ist daher dringend notwendig, dass der Bund seine Hilfe für die Unternehmen bis zehn Mitarbeiter um drei Monate verlängert und darüber hinaus die bisher vom Land finanzierte Soforthilfe für Unternehmen zwischen elf und fünfzig Mitarbeitern übernimmt. Das ist vor allem für die Unternehmen wichtig, die länger als andere von der Eindämmungsverordnung betroffen sein werden.

In diesem Zusammenhang ist es auch geboten, über die in der Soforthilfe berücksichtigten Kosten neu nachzudenken. Bisher werden in der Soforthilfe nur Mittel für betriebliche Aufwendungen berücksichtigt. Gerade viele Solo-Selbständige und Kleinunternehmer haben aber zusätzlich darunter zu leiden, dass ihnen über mehrere Monate im Grunde ihre gesamten Einnahmen verloren gehen. Gemeinsam haben daher mehrere Bundesländer gefordert, diese Ausfälle zukünftig im Soforthilfe-Programm des Bundes in Form des sogenannten Unternehmerlohns zu berücksichtigen. Er soll im Rahmen der Soforthilfe dazu beitragen, den persönlichen Lebensunterhalt des Unternehmers zu sichern. Die dafür grundsätzlich auch verfügbare Grundsicherung nach dem SGB II stünde Solo-Selbständigen und Kleinunternehmern alternativ im Rahmen eines Optionsmodells zur Verfügung. Sollte der Bund hier weiter untätig bleiben, kann es notwendig werden, diese Form der Hilfe für die Unternehmer über Landesmittel finanzieren.

Über die Zuschüsse hinaus haben Unternehmen mit „Sachsen-Anhalt Zukunft“ auch die Möglichkeit ihre Zahlungsfähigkeit über zwei Darlehensprogramme des Landes zu sichern. Diese Programme richten sich an Unternehmen mit bis zu 50 bzw. mit bis zu 500 Mitarbeitern. Unternehmen, die Soforthilfen beantragt haben, können zusätzlich auch die Darlehensprogramme nutzen. Damit wurde für die Zeit der akuten Corona-Krise in Sachsen-Anhalt innerhalb kürzester Zeit ein engmaschiges Sicherheitsnetz für die Unternehmen geknüpft. Dieses Netz hilft, die Wirtschaft im Lande zu stabilisieren und dem Verlust von Arbeitsplätzen entgegenzuwirken.

Zum anderen ist aber auch klar, dass es eine Zeit nach den akuten Restriktionen durch Corona geben wird. Hier muss gute Wirtschaftspolitik ebenfalls aktiv gestalten. Der erste Gestaltungsspielraum ergibt sich dabei bei den anstehenden Lockerungsmaßnahmen. Wo Hygiene- und Abstandsvorschriften eingehalten und damit das Infektionsrisiko minimiert werden kann, muss das Arbeiten wieder ermöglicht werden. Dies gilt insbesondere für die Gastronomiebranche. Sie ist derzeit massiv von den Auswirkungen der Beschränkungen betroffen, hat aber bereits bewiesen, dass sie die notwendigen Vorschriften zur Eindämmung der Corona-Pandemie einhalten kann. Lockerungen für die Restaurants, Gaststätten und Cafés des Landes sind daher wünschenswert und zügig umzusetzen.

Zwar können wir gerade in den letzten Jahren auf eine sehr erfolgreiche Ansiedlungs- und Ausbaupolitik in Sachsen-Anhalt blicken, dennoch bedarf es über die Lockerungen hinaus auch spürbarer Maßnahmen, um die erlahmte Konjunktur wieder anzukurbeln. Zuerst muss dazu auf bereits existierende und seit 2017 geschärfte Programme zurückgegriffen werden, um den Unternehmen Hilfe anzubieten. Bereits heute existierende Programme haben den Vorteil, dass die Wirksamkeit der Instrumente bereits nachgewiesen ist. Es kann so bereits mit Start der neuen Maßnahmen zur Konjunkturförderung vorhergesagt werden, in welcher Weise die Programme für die einzelnen Bereiche der Wirtschaft helfen werden. Zudem hat die Nutzung oder Wiederaufnahme bestehender Programme den Vorteil, dass Verfahrensrichtlinien und Verwaltungsabläufe nicht neu erarbeitet werden müssen und die Bearbeitung so reibungslos erfolgen kann.

Vor diesem Hintergrund sind es besonders Programme zur Förderung der Wirtschaftsstruktur (Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur – GRW), von Forschung und Entwicklung und zur Förderung von Digitalisierungsprozessen (Sachsen-Anhalt digital), die den Unternehmen und der Konjunktur aus der Krise helfen können. Es ist unerlässlich, an dieser Stelle im Zuge der Haushaltsplanung des Landes Vorsorge zu treffen und die entsprechenden Programme auszuweiten.

Nach den Erfahrungen in der Corona-Krise muss es im Rahmen dieser Programme auch darum gehen, die Wirtschaft Sachsen-Anhalts in die bundesweiten Bemühungen um eine Stärkung der Herstellung medizinischer und pharmazeutischer Produkte im Lande einzubinden. Als Standort mit langer Tradition in der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie beim Maschinen- und Anlagenbau bestehen hierfür erstklassige Voraussetzungen, die durch entsprechende Entwicklungsprojekte an den Hochschulen des Landes flankiert werden müssen.

Konjunkturmaßnahmen nach der akuten Corona-Krise dürfen aber nicht nur das Ziel haben, alleine die Folgen der Pandemie zu beseitigen. Die Wirtschaft des Landes hat sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt. Dieses Erstarken hat viele positive Effekte. Neue Arbeitsplätze sind entstanden, die Arbeitslosigkeit ist auf einen historischen Tiefststand gesunken, die Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung stets gewachsen.  Steuereinnahmen schaffen neue Spielräume für die Gemeinden, und nicht zuletzt sind „Sachsen-Anhalt“ und „Innovation“ Wörter, die immer öfter im gleichen Satz verwendet werden. Es sind gerade die Investitionen in die Zukunft und der Mut, sich neuen Herausforderungen wie der Digitalisierung zu stellen, die der Wirtschaft einen Entwicklungsschub verschafft haben.

Jede Maßnahme zur Förderung der Wirtschaft nach Corona muss daher auch unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, wie sie dazu beitragen kann, dass die Wirtschaft mehr Unterstützung bei notwendigen Innovationen und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im nationalen und internationalen Vergleich erhält.

Heute ist noch nicht absehbar, wann und in welchen Schritten Normalität in die Wirtschafts- und Arbeitswelt zurückkehren wird. Zudem ist nicht jede Entwicklung der Corona-Pandemie vorhersehbar. Umso wichtiger ist, dass bereits jetzt vorausschauend geplant wird, Instrumente für die Unterstützung der Wirtschaft in den jeweiligen Phasen bereitgehalten werden und man sich bei allen Schritten mit den Unternehmen, den Gewerkschaften und den Interessenvertretungen austauscht. Die Herausforderungen, vor denen die Wirtschaft steht und auch noch einige Zeit stehen wird, können nur gemeinsam gelöst werden. Wenn das gelingt, hat Sachsen-Anhalt die Chance, dank guter Wirtschaftspolitik nicht nur möglichst viele Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten, sondern auch gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

Von Andreas Steppuhn

In einem Prozess des Neustarts und der stufenweisen Lockerung in unserer Wirtschaft kommt es sehr darauf an, dass unser Land auch mit motivierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wieder hochgefahren wird – alles mit dem Ziel, neues Wirtschaftswachstum zu erzeugen und sozialen Wohlstand zu sichern. Dafür brauchen wir besondere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.

Viele Beschäftigte und ihre Familien müssen bereits jetzt erhebliche Einschnitte bei ihren Erwerbseinkommen hinnehmen, während sie kaum die Möglichkeit haben, ihre Lebenshaltungskosten zu senken. Die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt sind nicht nur aktuell spürbar, sondern müssen auch nachhaltig verkraftet werden. Gleiches gilt für die Spätfolgen der wirtschaftlichen Schäden, die noch nicht absehbar sind. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, den Menschen die soziale Sicherheit zu bieten, die sie brauchen, und gleichzeitig die arbeitsmarktpolitischen Weichen für die Zukunft so zu stellen, dass die Herausforderungen mit viel Optimismus angegangen werden können. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger unserer Gesellschaft. Sie werden es sein, die für den Neustart besonders wichtig sind und eine systemrelevante und herausgehobene Bedeutung über den Tag hinaus haben.

Die Corona-Pandemie hat die Wichtigkeit und Systemrelevanz der öffentlichen Daseinsvorsorge eindrucksvoll unterstrichen. Es zeigten sich aber auch die Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die sich aus zu geringer Personalausstattung, unterdurchschnittlicher Bezahlung und prekären Beschäftigungsverhältnissen ergeben können. Die Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge in Gesundheit, Pflege, Erziehung, Betreuung, Bürgerservice und Sicherheit – den Humandienstleistungen – hat auch wertvolle arbeitsmarktpolitische Effekte, wie die skandinavischen Staaten zeigen: In Krisen können die negativen Effekte durch in Industrie, Handwerk und im privaten Dienstleistungsbereich wegfallenden Stellen abgefedert und zum Teil kompensiert werden.

Deshalb werden folgende Maßnahmen für die Landespolitik in Sachsen-Anhalt und für die Bundespolitik vorgeschlagen:

Arbeitslosengeld I

Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I wird auf zwei Jahre verlängert. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 55 Jahren wird die Dauer auf drei Jahre verlängert. Damit wird vermieden, dass eine krisenbedingte Erhöhung der Arbeitslosigkeit zu einem frühzeitigen Bezug von Grundsicherung und damit zu sozialen Härten führt.

Kurzarbeitergeld

Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes wird für alle betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf 80 bzw. 87 Prozent angehoben. Anders als zuletzt vom Koalitionsausschuss in Berlin beschlossen, soll das bereits nach zwei Monaten gelten. Zugleich darf es die Höhe des gesetzlichen bzw. des tariflichen Mindestlohnes nicht unterschreiten. Auch Auszubildende sind in die Kurzarbeitergeldregelung einzubeziehen.

Berufsausbildung

Für alle Auszubildenden muss es einen Schutzschirm geben. Mit einem Ausbildungsfonds wird Auszubildenden aus insolventen Unternehmen die Möglichkeit gegeben, ihre Ausbildung im gleichen Beruf fortzusetzen. Ebenfalls werden neue außerbetriebliche Ausbildungsplätze, zum Beispiel in Ausbildungsverbünden, hieraus finanziert. Unternehmen, die zusätzliche Ausbildungsplätze bereitstellen, werden mit einem Ausbildungsbonus belohnt. Der Ausbildungsfonds wird von nicht ausbildenden Betrieben im Rahmen einer Umlagefinanzierung und von der öffentlichen Hand finanziert. Das Land Sachsen-Anhalt, Kommunen und öffentliche Einrichtungen stellen insbesondere in Berufen aus dem Gesundheits-, Pflege- und Erziehungsbereich, in denen auch in Zukunft dringend Fachkräfte benötigt werden, erheblich mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung und verbinden dieses mit einer Übernahmegarantie im erlernten Beruf.

Azubi-Ticket

Das im Landeshaushalt bereits verankerte Azubi-Ticket wird schnellstmöglich eingeführt. Angesichts dessen, dass vielen jungen Menschen möglicherweise aufgrund der Krise ein Ausbildungsplatzwechsel bevorsteht, wird erhöhte Mobilität zunehmend gefragt sein.

Gute und faire Arbeit

Die Tarifbindung darf während der Krise nicht geschwächt werden. Deshalb muss es einfacher möglich sein, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären. Der gesetzliche Mindestlohn muss kurzfristig auf zwölf Euro steigen. Die Einhaltung von Sozialstandards und Tarifverträgen muss verbindliche Grundlage für alle öffentlichen Auftragsvergaben sein.

Sozialer Arbeitsmarkt

Die Notwendigkeit eines sozialen Arbeitsmarktes wird an Bedeutung gewinnen. Deshalb ist eine Verstetigung wichtig und muss auch im Rahmen des Landeshaushaltes finanziell ausgestaltet werden. Wir brauchen flexible Instrumente des sozialen Arbeitsmarktes, um zu verhindern, dass erneut von krisenbedingten Entlassungen betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Langzeitarbeitslosigkeit abrutschen. Dafür muss das Land zusätzliche Mittel einplanen.

Öffentliche Förderung

Unternehmen, die ihren Sitz in Steueroasen haben, oder börsennotierte Unternehmen, die ihren Aktionären Dividenden ausschütten, werden keine Soforthilfen und keine vergünstigten Kredite erhalten. Kurzarbeitergeld wird nur dann erstattet, wenn dieses durch die Unternehmen um mindestens zehn Prozent aufgestockt wird.

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist wichtiger denn je. Deshalb ist eine verbesserte Personalausstattung in allen zuständigen Behörden, insbesondere der Gewerbeaufsicht, erforderlich, um die Zahl der betrieblichen Beratungen vor Ort zum Schutz der Beschäftigten deutlich zu erhöhen. Unternehmen werden zu einer täglichen Reinigung ihrer Sanitäranlagen verpflichtet. Aufwendungen, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für ihre persönliche Schutzausrüstung zusätzlich freiwillig tätigen, müssen steuerlich absetzbar sein.

Fort- und Weiterbildung

Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten während der Kurzarbeit die Möglichkeit, sich beruflich weiterzubilden. Sofern das Unternehmen diese Kosten nicht übernimmt, können die Beschäftigten persönliche Kosten steuerlich als Sonderausgaben geltend machen. Findet die Weiterbildung im Bereich der Digitalisierung statt, gibt es hierfür einen gesonderten steuerlichen Bonus. Gefördert werden auch Maßnahmen, die im Rahmen von Home Office stattfinden.

Prämien steuerfrei gestalten

Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben für die Jahre 2020 und 2021 bei zusätzlich gezahlten Prämien einen Anspruch auf einen steuerlichen Freibetrag von 1.500 Euro. Kann dieser Betrag im Jahr 2020 nicht in Anspruch genommen werden, so erhöht sich dieser Betrag für das Jahr 2021 auf 3.000
Euro.

ExpertInnenrat

Die Landesregierung beruft einen ExpertInnenrat, der Vorschläge für Wege aus der Krise, für den Neustart und für den Wiederaufschwung aufzeigt. Diesem gehören Vertreterinnen und Vertreter der Fachministerien, der Kammern, der Wirtschaftsverbände, der Gewerkschaften und der Bundesagentur für Arbeit an. Auf der Ebene der großen Städte und der Landkreise werden analoge regionalisierte Strukturen geschaffen.

Staatsbeteiligungen

Die Folgen der Krise mit Wegfall regionaler wie überregionaler Nachfrage können sowohl industrielle Kerne als auch mittelständische Betriebe in Sachsen-Anhalt existenziell gefährden. Um dieses zu verhindern, dürfen vorübergehende Staatsbeteiligungen kein Tabu sein, wenn vorrangige Maßnahmen wie ausgeweitetes Kurzarbeitergeld, Liquiditätshilfen und Steuerstundungen nicht ausreichen sollten. Bedingung für Staatsbeteiligungen sind entsprechende betriebliche und tarifliche Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung.

Von Dr. Katja Pähle

Sachsen-Anhalt hat zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie seit rund sechs Wochen die Schulen geschlossen. Dieser Schritt war wichtig. Die Verringerung von Sozialkontakten hat wesentlich dazu beigetragen, die Infektionszahlen in unserem Bundesland gering zu halten. Jetzt gibt es die ersten Schritte zur Öffnung der Schulen, und die Rufe nach schneller Rückkehr zur „Normalität“ werden laut. Nachvollziehbar, aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir unsere alte Normalität so nicht zurückbekommen werden. Vielmehr müssen wir uns zunächst auf einen neuen, veränderten Alltag mit Corona einstellen.

Wir können und müssen jedoch vor der Öffnung der Schulen einen Blick darauf werfen, was uns diese Wochen gezeigt haben. Da wäre als erstes zu konstatieren, dass SchulleiterInnen, Lehrkräfte, pädagogisches Personal und Schulaufsicht an ganz vielen Stellen im Land mit großem persönlichen Einsatz viele kluge Ideen zur Organisation „häuslichen Lernens“ erdacht und sofort umgesetzt haben. Und wir haben gesehen, wie sich die allermeisten Eltern und Schüler mit großem Engagement der Aufgabe gestellt haben, das Lernen zu Hause im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu organisieren und umzusetzen.

Sie haben aber auch offengelegt, an welchen Stellen das Bildungssystem in Sachsen-Anhalt Nachholbedarf hat, wo Innovationen und Veränderungen notwendig sind. Sie haben uns mehr als je zuvor deutlich gemacht, dass gute Schule viel mehr ist als Bildungsvermittlung und worauf wir zukünftig stärker achten müssen. Jetzt geht es darum, die wichtigsten Fragen kurzfristig zu beantworten und Konsequenzen zu ziehen, damit die Schülerinnen und Schüler, die Eltern wie auch die Lehrerinnen und Lehrer mit einem sicheren Gefühl an den ersten Schultag denken. Dabei ist klar: Genauso wie bei anderen „Lockerungen“ geht es hier um eine Erprobung von Möglichkeiten und um das Sammeln von Erfahrungen unter veränderten Bedingungen und Auflagen. Die Gesundheit aller Beteiligten hat dabei Vorrang.

Wichtige Schritte für einen gesicherten allgemeinen Schulbeginn

Alle Überlegungen zur Schulöffnung müssen sich an den Maßgaben zur Senkung des Ansteckungsrisikos orientieren. Deshalb ist die Vorgabe eines landesweiten Hygiene-Rahmenplans eine notwendige Bedingung für die allgemeine Schulöffnung. Dieser ist vom Land zu erstellen, damit überall gleiche Standards gelten, von Arendsee bis Zeitz. Ein solcher Rahmenplan muss zum Beispiel klären, wie mit Schülerinnen und Schülern und mit Lehrerinnen und Lehrern mit Vorerkrankungen umgegangen werden soll. Welche Vorerkrankungen sind überhaupt im Zusammenhang mit Corona relevant, welche Sorgen sind unbegründet? Hier brauchen die Schulen Sicherheit für ihr Handeln.

Zudem muss die notwendige Ausstattung für die Durchführung der notwendigen Hygienemaßnahmen, wie regelmäßiges Händewaschen, überall vorhanden sein. Hier gilt es schnell für Ausstattung zu sorgen. Zuständigkeitsfragen dürfen das nicht verzögern. Notfalls muss hier das Land einspringen, damit die Schulträger Zeit für die Beschaffung haben. Durch die Bereitstellung von Handwaschseife und Einweghandtüchern wird der Landeshaushalt nicht überfordert.

Die Schülerbeförderung muss neu gedacht werden. War das Herumfahren von vielen Schülern über weite Strecken schon vor der Pandemie kritisch zu sehen, stellt es jetzt ein zusätzliches Risiko dar. Deshalb ist die Abstimmung mit den Verkehrsunternehmen vordringlich. Dabei muss nicht nur geklärt werden, wie die notwendigen Abstandsregelungen auch in den Schulbussen eingehalten werden können, sondern auch ob die Fahrtzeiten durch den Einsatz von zusätzlichen Bussen und durch Sternfahrten verkürzt werden können. Wir müssen auch überlegen, ob nicht in dieser Situation die Busse in manchen Regionen für den Schülerverkehr reserviert werden müssen und den Bürgerinnen und Bürgern andere Fahrangebote wie zum Beispiel Ruftaxis angeboten werden sollten.

Die Einhaltung der grundlegenden Abstands- und Hygieneregeln muss überall gewährleistet sein. Damit ist klar, dass es bei weitem nicht möglich sein wird, alle Schülerinnen und Schüler gleichzeitig in der Schule zu haben. Mindestens bis zu den Sommerferien benötigen wir Lösungen, die häusliches Lernen und Präsenzphasen in der Schule klug und möglichst effektiv miteinander verbinden.

Klar ist auch, dass die konkreten Bedingungen vor Ort sehr unterschiedlich sind. Das betrifft die Schul- und Klassengrößen, die Anzahl und die Größe der Unterrichtsräume und der Pausenhöfe und auch die Zahl der für Präsenzunterricht zur Verfügung stehenden Lehrkräfte. Um Eltern und Schülern bestmöglich zu unterstützen, benötigen wir so viel Präsenzunterricht in der Schule wie irgend möglich. Durch die Entscheidung des Bildungsministeriums, die Abschlussprüfungen an den weiterführenden Schulen ohne jegliche Abstriche umzusetzen, werden viele dieser knappen Ressourcen gebunden. Auch wir wollen fundierte und faire Abschlüsse, haben aber ebenso die anderen Jahrgänge und ihre Lernmöglichkeiten im Blick.

Ein guter Kompromiss könnte darin liegen, nach den zentralen schriftlichen Abschlussprüfungen auf mündliche Prüfungen weitgehend zu verzichten. Das würde die schwierige Vorbereitungssituation der Abschlussjahrgänge berücksichtigen und gleichzeitig Ressourcen für das weitere Lernen aller anderen Schuljahrgänge freisetzen. Schülerinnen und Schüler, Eltern wie Lehrerinnen und Lehrer erwarten vom Bildungsministerium eine Beantwortung dieser Fragen und nicht nur ein Datum für die Schulöffnungen und vage Vorstellungen zu Organisationsmodellen. Überlegtes Handeln muss Vorrang vor einem schnellen Start haben.

Wir sehen die Chance, vor den Pfingstferien noch ein bis zwei Präsenztage in der Schule für alle Jahrgänge organisieren zu können. Während der Pfingstferien sollten die Schulen, neben der Absicherung der Notbetreuung, ein Spektrum an freiwilligen Lernangeboten in der Schule organisieren. Nach den Pfingstferien soll dann der Einstieg in einen verlässlichen Wechsel von häuslichem Lernen und Präsenzphasen in der Schule erfolgen. Parallel müssen die Möglichkeiten zur Notbetreuung aufrechterhalten und bei Bedarf ausgeweitet werden. Dazu sollten für Kinder im Schulalter vor allem auch die räumlichen und personellen Möglichkeiten der Horte genutzt werden können.

Die Schule als Ort der Bildung, der Kontakte und der Chancengleichheit gestalten

Die Wochen der Schulschließung haben eins wieder deutlich gemacht: Schule ist mehr als eine Bildungsinstitution. Kinder und Jugendliche haben in dieser Zeit den Kontakt mit Gleichaltrigen, die Angebote vor und nach dem Unterricht sowie die Chancen vermisst, die Schule bietet, um soziale und damit Bildungsunterschiede auszugleichen. Auch wenn das deutsche Bildungssystem die Wirkungen dieser Ausgleiche betreffend schon vorher hart in der Kritik stand, zeigen schon die ersten Befunde, dass die notwendigen Schulschließungen Kinder aus sozial schwächeren Familien oft weitaus härter treffen. Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass sozial bedingte Leistungsunterschiede wahrscheinlich noch größer geworden sind. Diese Tatsache muss bei der Planung der Öffnung der Schulen mit einbezogen werden.

Kinder mit besonderen Förderbedarfen, mit einer zum Halbjahr festgestellten Versetzungsgefährdung oder mit einem besonders zu beachtenden familiären Hintergrund müssen die Möglichkeit haben, Verpasstes aufzuholen. Das Bildungsministerium muss Schulen dazu die notwendigen Rahmenbedingungen ermöglichen und Ressourcen zur Verfügung stellen. Organisatorisch ist dieser Vorschlag sicherlich eine Herausforderung, aber gestaffelter oder umschichtiger Unterricht ist es auch. Wir können wohl darauf vertrauen, dass die Lehrerinnen und Lehrer diese Kinder in den jeweiligen Klassen kennen. Wer sollte die besonderen Bedarfe besser einschätzen können als sie? In der Zeit bis zu den Pfingstferien können der Lernstand erfasst und direkte Angebote gemacht werden.

Auf die während der Schulschließung entstandenen oder verstärkten Lerndefizite sollte auch über die Phase des Wiedereinstiegs hinaus im Übergang zum nächsten Schuljahr eingegangen werden können. Deshalb ist es sinnvoll, dass zum Ende des laufenden Schuljahrs möglichst alle Schülerinnen und Schüler versetzt werden und Rückstände im vertrauten Klassenverband, im nächsten Schuljahr gemeinsam aufgearbeitet werden können.

Digitales Lernen jetzt und zukünftig

Seit Jahren besteht der Ruf der Bildungswissenschaft, digitale Angebote besser und dauerhaft in den Unterricht zu integrieren. Die Pandemie zeigt, wie wichtig dieser Ruf ist – nicht nur in Zeiten einer Krise. Sie hat allerdings auch gezeigt, wie schlecht wir im Bereich des digitalen Lernens vorbereitet waren. Und zwar sowohl in den Schulen wie auch zu Hause. Das betrifft die Ausstattung mit Hardware, die Anbindung an schnelles Internet, die Verfügbarkeit gut nutzbarer Lernplattformen, die Bereitstellung gut nutzbarer digitaler Inhalte und die Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, diese Möglichkeiten zu nutzen.

Trotz dieser schlechten Ausgangsbedingungen ist der Schub der letzten Wochen unübersehbar. Es sind tolle Lösungen entstanden, vor allem aber eine riesige Motivation, hier intensiv weiter zu arbeiten. Jetzt müssen Politik und Bildungsverwaltung die Dynamik dieser Entwicklung aufnehmen und schnellstens die Rahmenbedingungen verbessern. Dazu müssen wir viel schneller als bisher geplant die Ausstattung der Schulen verbessern. Die durch das Land zur Verfügung gestellte Lernplattform „Moodle“ hat sich dort, wo sie verfügbar war, sehr gut bewährt. Dieses Angebot muss noch 2020 für alle Schulen, professionell technisch und inhaltlich betreut und gehostet, verfügbar werden. In diese Lernplattform gehören gute Inhalte und Werkzeuge. Das Landesinstitut muss jetzt sehr schnell prüfen, welche Programme und Tools für Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler Mehrwert beim Lernen bringen, und diese schnellstmöglich beschaffen. Der Bund hat durch eine Öffnung des Digitalpakts den dafür notwendigen finanziellen Rahmen bereits geschaffen.

Damit die Nutzung von digitalen Lernplattformen zu Hause möglich ist, benötigen Schülerinnen und Schüler einen Laptop oder ein Tablet. Die Ausstattung damit darf nicht davon abhängen, in welcher Familie, mit welchen finanziellen Möglichkeiten man als Kind lebt. Wenn wir die 150 Euro, die der Bund anspruchsberechtigten Kindern dafür zur Verfügung stellt, aus Landesmitteln auf 300 Euro verdoppeln, können damit auch finanziell schlechter gestellte Schülerinnen und Schüler Tablets oder Laptops zu Hause zu nutzen. Schulen sollten zudem die Möglichkeit haben, alle verfügbaren Mittel zu bündeln und damit Schulgeräte zu beschaffen. Diese könnten dann allen Eltern gegen eine vertretbare Leihgebühr zur Verfügung gestellt werden. In einem ersten Schritt sollten alle Schülerinnen und Schüler ab dem 8. Schuljahrgang über ein individuelles Gerät verfügen.

Solche Investitionen in Angebote und Ausstattung haben auch nach der Krise ihren Wert. Das Wiederholen von Vokabeln wie auch jedes Angebot, das insbesondere für die Festigung von erlerntem Stoff geschaffen wird, sind auch zukünftig ein Weg, das eigenständige Lernen zu unterstützten. Aber in unserer komplexen Welt sind wir über den Status des Auswendiglernens hinausgewachsen. Schule hat vielmehr den wichtigen Auftrag, Kindern zu vermitteln, wie man sich Wissen aneignet, wo und wie man dieses Wissen findet. Deshalb ist die Vermittlung von digitaler Kompetenz eine Schlüsselqualifikation. Sie ist auch Teil der Erziehung zur Demokratie und zum kritischen Umgang mit Informationen und „Fake News“.

Die Corona-Krise zeigt uns, was in diesem Bereich möglich ist. Neu entstandene Schulblogs für die Kommunikation von Lehrenden und Lernenden, Plattformen und Lernsoftware sind für viele keine Fremdworte mehr und werden von immer mehr Lehrerinnen und Lehrern positiv betrachtet. Diesen Schwung müssen wir jetzt nutzen.

Lehrerinnen und Lehrer müssen jetzt gezielter für digitale Unterrichtskonzepte aus- und weitergebildet werden. Sie dürfen aber auch in der täglichen Praxis in keinem Fall mit der Digitalisierung ihrer Schule alleingelassen werden. Schon vor der Krise hing die digitale Schulwelt teilweise an einzelnen Lehrkräften, die sich mit der Wartung der Hard- und Software auseinandersetzten. Wir brauchen hier eine Entlastung der Lehrer und zugleich eine Professionalisierung der digitalen Schule. Eine Lösung bietet die Ausbildung und Anstellung von Digitalmentoren. Sie bieten als Teil der multiprofessionellen Teams in den Schulen Unterstützung des Schulunterrichts mit digitalen Mitteln: Sie bieten Lehrkräften medienpädagogische Unterstützung, und sie betreuen und beschaffen die nötige Technik. Sie führen aber auch selbstständig Projektarbeit durch und können bei Vakanzen und in Defizitbereichen eingesetzt werden.

Von Prof. Dr. Armin Willingmann und Thomas Wünsch

Die Corona-Pandemie hat auch den sonst fest eingespielten Hochschulbetrieb in einem erheblichen Maß beeinflusst. Bereits Anfang März wurde vom Wissenschaftsministerium gemeinsam mit den Leitungen der Universitäten und Hochschulen verabredet, dass der Beginn des Lehrbetriebs im Sommersemester 2020 verschoben wird. Diese Entscheidung war notwendig, weil Sicherheit und Gesundheit der gut 20.000 Beschäftigten und der rund 53.300 Studierenden an den Hochschulen oberste Priorität haben. Heute zeigen die Zahlen, dass die Verschiebung des Vorlesungsstarts ein Beitrag dazu war, die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen.

Den Hochschulen wurde daher ermöglicht, ab dem 4. Mai 2020 Vorlesungen und Prüfungen unter strengen hygienischen Voraussetzungen durchzuführen und in kleinen Gruppen den Präsenzbetrieb wieder aufzunehmen. In der Regel wird der Lehrbetrieb an Sachsen-Anhalts Hochschulen aber online erfolgen. Das Sommersemester in Sachsen-Anhalt wird damit soweit wie möglich zu einem Digital- bzw. Kreativsemester werden. Für diese Aufgabe sind die Hochschulen bereits heute gut gewappnet. Schon seit langem arbeiten sie mit dem Bund und dem Land am Auf- und Ausbau digitaler Lehrangebote.

Die Corona-Pandemie ist für diese Angebote nun der Praxistest. Durch die gemeinsame Vorarbeit von Land und Hochschulen können bereits weit über 70 Prozent der Lehrveranstaltungen im Land online abgerufen werden. Auch die ersten Rückmeldungen von Lehrenden und Studierenden an den Hochschulen zeigen, dass der Start des digitalen Lehrbetriebs gelungen ist. Wo sich in den kommenden Wochen und Monaten aber noch Verbesserungspotentiale auftun, muss schnell und entschieden gehandelt werden. Das Rückgrat der Digitalisierung an den Hochschulen ist dabei das Hochschulnetz. Um die Leistungsfähigkeit zu erhalten und digitale Angebote auch weiter vorzuhalten, muss dieses Netzwerk auch in Zukunft weiterentwickelt werden. Darüber hinaus zeigt die Corona-Pandemie, dass an den Zielen der Digitalen Agenda des Landes weitergearbeitet werden muss. Die derzeitigen Erfahrungen machen deutlich, dass die Lehre, die Bibliotheken und das gesamte Wissenschaftsnetz noch zügiger für die Herausforderungen der Digitalisierung gewappnet werden müssen.

Trotzdem ist wahrzunehmen, dass vor allem Studierende mitunter Sorgen haben, dass diese völlig neue Form des Semesters auf sie mitunter auch negative Auswirkungen haben könnte. Das Ziel muss daher sein, dass Studierenden keine Nachteile entstehen, wenn Lehrveranstaltungen nicht stattfinden bzw. auch nicht digital besucht werden können. Daher sollten die Hochschulen auch bei der Anerkennung des Semesters flexibel im Sinne ihrer Studierenden entscheiden. Dies betrifft vor allem Fristen für Leistungsnachweise.

Erheblich können Verzögerungen im Studienablauf durch die Corona-Krise aber auch sein, wenn sie zu einer Überschreitung der Regelstudienzeit führen. Dies trifft insbesondere Studierende, die Leistungen aus dem BAföG beziehen und mit der Regelstudienzeit auch die Förderhöchstdauer für diese finanziellen Unterstützungen überschreiten. Der Bund hat hier bereits zugesagt, die Weiterförderung für einen angemessenen Zeitraum sicherzustellen. Diese Zusage muss nun auch eingehalten werden.

Zu Unsicherheiten führt die Corona-Pandemie aber auch bei vielen Studierenden, die derzeit keine Leistungen nach dem BAföG beziehen und sich ihr Studium bisher mit einem Nebenjob finanziert haben, den sie nun aber in Folge der Corona-Krise verloren haben. Hier ist es vor allem an der Bundesebene, die Leistungen aus dem BAföG so aufzustocken, dass auch diese Studierenden in der Corona-Krise nicht mit ihren Problemen alleine gelassen werden. Neben der finanziellen Unterstützung sind auch ganz praktische Erleichterungen beim BAföG überfällig. Mit dem Onlinezugangsgesetz sollen Verwaltungsleistungen künftig online angeboten werden. Alleine auf dem Gebiet der Ausbildungsförderung würde die Digitalisierung der BAföG-Beantragung für die Antragssteller wie auch für die Antragsbearbeitung eine erhebliche Erleichterung bedeuten.

Unabhängig von der notwendigen bundesweiten Lösung können Studierende mit finanziellen Problemen bereits heute unterstützt werden. Diese Hilfe leisten in Sachsen-Anhalt die Studentenwerke zum Beispiel über den Erlass der Mieten in den Studentenwohnheimen, allgemeine Unterstützungen oder die Zahlung von Krankenkassenbeiträgen. Die Studentenwerke sind dabei flexibel und berücksichtigen die tatsächliche Hilfsbedürftigkeit der Studierenden. So haben die Studentenwerke die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen Zuschüsse oder Darlehen zu gewähren und so konkret auf die Bedürfnisse und Probleme der Studierenden einzugehen.

Die Studentenwerke sind bereit, diese Hilfe auch weiterhin und für mehr Studierende zu gewähren. Absehbar ist heute aber noch nicht, wie groß der Hilfebedarf in den kommenden Monaten sein wird. Dies liegt vor allem daran, dass – wie auch in anderen Bereichen – noch nicht klar ist, wann im Umfeld der Hochschulen und damit auch im Alltag der Studierenden wieder Normalität einkehrt. Wird aber in den kommenden Wochen festgestellt, dass die Zahl der hilfesuchenden Studenten massiv steigt und der Bund nach wie vor eine Hilfe über das BAföG verweigert, dann ist es zwingend notwendig, die für die Hilfe von Studierenden in finanziellen Schwierigkeiten vorgesehenen Mittel in den Studentenwerken von Seiten des Landes zu erhöhen.

Neben der Bereitstellung digitaler Lehrangebote kann so auch durch die finanzielle Unterstützung von Studierenden umfassend auf die Auswirkungen der Corona-Krise an den Hochschulen reagiert werden.

Darüber hinaus muss es durch den engen Austausch mit den Hochschulen selbst auch möglich sein, auf aktuelle Entwicklungen schnell und koordiniert zu reagieren.

Auch für Wissenschaft und Forschung im Lande gilt es, Schlussfolgerungen aus der Corona-Krise zu ziehen. Dazu zählt insbesondere eine Schwerpunktsetzung in der Erforschung von Pandemie-Folgen in ökonomischer, sozialer, psychologischer und insbesondere medizinisch-pharmazeutischer Hinsicht. Hier kann auf die in der Krise gewonnenen Erfahrungen insbesondere der Universitätsmedizin in Sachsen-Anhalt mit ihren Standorten in Halle und Magdeburg zurückgegriffen werden. So kann sichergestellt werden, dass das Land auch in und nach Krisenzeiten ein anerkannter, leistungsfähiger Wissenschaftsstandort bleibt.

Von diesem hervorragenden Wissenschaftsstandort profitieren auch die Unternehmen im Land. Gerade während der Corona-Pandemie muss das Engagement für die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft fortgesetzt werden. Die derzeitige Krise ist ein Katalysator für die Digitalisierungs- und Innovationsprozesse. Die Kompetenz- und Wissensplattform „Connect“ des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung, um nur ein Beispiel zu nennen, wird diese Prozesse stärken. Die Entwicklung einer digitalen Plattform für den effizienten und einfachen Know-how-Transfer zwischen Forschung, Wissenschaft und industrieller Anwendung kann so nicht nur Wissenschaft und Wirtschaft verknüpfen, sondern beiden Feldern dabei helfen, mit Schwung aus der derzeitigen Corona-Krise herauszukommen.

Von Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen

Seit Wochen ist das öffentliche kulturelle Leben stillgelegt. Sind Theater, Museen, Kino, aber auch soziokulturelle Zentren, freie Kultureinrichtungen und Galerien geschlossen. Keine Besucher im Theater, im Konzert, die Kinos leer. Kein direkter Austausch mit dem Publikum, kein Lachen, kein Klatschen, keine Buh-Rufe oder Kritiken über die neuesten Inszenierungen oder Ausstellungen. In diesem Sommer werden wir auf das Musical auf dem Domplatz, die Händel- und Telemann-Festspiele, den Operettensommer oder das Sputnik Spring Break oder das Splash!-Festival verzichten müssen. Wir ahnen, was uns fehlt und vermissen es schmerzlich.

Wir ahnen auch, dass Kultur mehr ist als eine rein wertschöpfende Kreativität in einer ökonomisch geprägten Gesellschaft. Wir haben die Chance, Künstlerinnen, Künstler und ihr künstlerischen Potential als ein gesellschaftliches Mehr wahrzunehmen. Kultur ist systemrelevant. Sie gehört ebenso zur Daseinsvorsoge wie Krankenhäuser, Schulen oder Polizei. Die Sicherheitsvorkehrungen und Hygienemaßnahmen können in einzelnen Kultureinrichtungen wie beispielsweise bei Ausstellungen in Museen oder bei einer kontrollierten Anzahl von Besuchern in Bibliotheken und bei kleineren Veranstaltungen in Theatern sehr gut eingehalten werden. Daher sollte einer Wiedereröffnung zum 4. Mai 2020 nichts im Wege stehen. Wir brauchen unsere Kulturhäuser.

Durch die Absagen von Veranstaltungen – große wie die Leipziger Buchmesse oder kleinere wie Theateraufführungen oder Konzerte – sind nicht nur Honorare und Einnahmen weggefallen. Viele Künstlerinnen und Künstler kommen in Existenznöte. Um die Folgen der Corona-Pandemie abzumildern, ist in den letzten Wochen ein bisher einmaliges Hilfs- und Unterstützungsprogramm der Bundesregierung angelaufen, das Programm für Solo-Selbständige. Sie verfügen kaum über relevante Rücklagen oder Sicherheiten, und ihnen soll schnell mit staatlichen Zuschüssen unbürokratisch geholfen werden, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Es zeigt sich aber, dass das Programm auf die besondere Spezifik des Kultur- und Kreativbereichs nicht passt. Ein bildender Künstler, eine Schriftstellerin, ein Modedesigner oder eine Fotografin haben nur geringe laufende Betriebskosten, denn ihr Potential ist ihre Kreativität. Wir wollen, dass das Bundesprogramm einen Unternehmerlohn für Solo-Selbständige ermöglicht. Sie sollen wählen können zwischen dem flexiblen Zugang zur Grundsicherung oder dem Unternehmerlohn.

Entscheidend ist, dass das Land seine Förderzusagen einhält und Fördermittel auch dann ausreicht, wenn eine Kulturveranstaltung wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden kann. Das Absagen von Kulturveranstaltungen soll nicht der Entlastung öffentlicher Haushalte dienen. Das Land sollte darüber hinaus weitere Formen der Unterstützung finden. Sollte es keine Lösung auf Bundesebene geben, muss das Land mit der Verlängerung der Soforthilfe für drei Monate einspringen. Die Soforthilfe muss deutlich erhöht werden. Dafür sind rund zwei Millionen Euro einzuplanen. Das Stipendienprogramm der Kunststiftung ist kurzfristig deutlich aufzustocken, das heißt mindestens zu verdoppeln. Daneben soll ein Sonderfonds in Höhe von 20 Millionen Euro zur Kompensation von Honorarausfällen und Einnahmeverlusten eingerichtet werden. Bei diesem Fonds sollten sowohl Kultureinrichtungen in kommunaler Trägerschaft wie Theater, Museen, Stiftungen etc. Mittel beantragen können als auch freie Künstlerinnen und Künstler.

Auch wenn das öffentliche Kulturleben ruht, findet Kultur trotzdem statt. Kultur findet ihr Publikum: im Netz vor den Bildschirmen und Lautsprechern. Eins steht fest, Kultur wird derzeit digitaler. Die Corona-Pandemie zwingt und beschleunigt die Entwicklung der digitalen Kultur. Da gibt es die Live-Übertragungen aus dem angesagten Club am Freitagabend mit einem digitalen Sammelhut, Buchbesprechungen aus dem Kinosaal, digitale Führungen durch Ausstellungen, abendliche Lesungen und Konzerte, kleine Puppentheaterstücke oder auch Ballettaufführungen. Die Liste der digitalen Ideen ist lang und zeigt: Wer jetzt kreativ ist, bleibt im Gespräch, wird wahrgenommen und auch in Zukunft sein Publikum finden. Der Kulturbereich erweitert seine digitalen Ausdrucksformen. Wir wollen diese Entwicklung weiter fördern und ein Förderprogramm zur Entwicklung von digitalen Kulturformaten auflegen. Digitale Vermittlungsformate und digitale Kultur sollen zukünftig wie selbstverständlich dazugehören. Das Förderprogramm Digitale Kulturvermittlung sollte ein erstes Volumen von rund zwei Millionen Euro haben.

Während für den einen Teil des Kulturbereichs, den öffentlich geförderten wie Theater und Museen, Konzert- und Opernhäuser, die Zuschüsse weiterlaufen und Einnahmeverluste ggf. über Kurzarbeitergeld kompensiert werden können, brechen in der freien Szene bei den freien Künstlerinnen und Künstlern derzeit alle Einnahmen weg. Der Spielraum der kommunalen Haushalte wird sich in der nächsten Zeit wahrscheinlich aufgrund fehlender Steuereinnahmen verengen, und wir wollen nicht, dass darunter besonders die freie Kulturszene leidet. Um einen Verteilungskampf um die Fördermittel zu verhindern, soll es einen flexiblen und weitreichenden Infrastrukturfonds geben. Viele Künstlerinnen und Künstler haben bereits vor der Corona-Pandemie unter prekären Bedingungen und weit unter Mindestlohn gearbeitet. Wir wollen auch für den freien Kulturbereich soziale Mindeststandards und setzen uns für Mindesthonorare in der Projektförderung und bei Ausstellungshonoraren ein. Die Selbstausbeutung muss ein Ende haben.

Wir wollen, dass es neben den kurzfristigen Soforthilfeprogrammen auch ein Nachdenken über Förderstrukturen im Kulturbereich gibt. Vieles passt nicht mehr (oder passte noch nie) für den Kulturbereich und kann flexibler gehandhabt werden. Es braucht keine Krise, um Projektförderung flexibler zu gestalten.

Wir wollen, dass das über das Zuwendungs- und Haushaltsrecht für den Kulturbereich nachgedacht wird. Wie kann eine veränderte und nachhaltige Kulturförderung aussehen? Welche Kriterien entwickeln wir für eine Kulturpolitik der Zukunft? Kann man Rechtsträgerstrukturen ändern? Kann man eine überjährige Projektförderung einführen? Können Vereine nicht doch Rücklagen bilden? Wie können freie Künstlerinnen, Künstler und Kreative stärken an die institutionell geförderten Einrichtungen gebunden werden? Sind verpflichtende Aufträge eine Idee? Wir wollen Ideen für eine Kulturpolitik der Zukunft sammeln.

Von Petra Grimm-Benne und Susi Möbbeck

Das Corona-Virus und die Maßnahmen zur Reduzierung des Infektionsgeschehens bedeuten eine enorme Belastung nicht nur für Wirtschaft und Gesundheitswesen, sondern auch für unser Zusammenleben als Gesellschaft. Besonders belastend sind die weitgehende Schließung der öffentlichen Orte des Zusammenlebens und die Kontaktbeschränkungen für Kinder.

So sind seit dem 16. März 2020 Kitas, Horte und Schulen für den Regelbetrieb geschlossen. Um die Infektionsgefahren durch Menschenansammlungen zu verhindern, sind Spielplätze, Fußball- und Bolzplätze genauso geschlossen wie Kinos und Schwimmbäder. Es finden keine Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit, von soziokulturellen Zentren, Bürgerhäusern, Jugend- und Familienbildung statt.

Hauptort des Lernens, Spielens, der Gespräche und der Freizeitgestaltung ist derzeit zu Hause. Der Face-to-Face-Kontakt beschränkt sich weitgehend auf die Familie. Freunde und Bekannte werden kontaktiert per Telefon oder auf Social Media. Wer an seinen Arbeitsplatz darf, hat das Privileg direkter Sozialkontakte. Aber insbesondere Kinder und Jugendliche erleben eine starke Einschränkung ihrer Kontaktmöglichkeiten. Und das gilt nicht nur für die gleichaltrigen Freunde, auch das Distanzgebot zu den Großeltern belastet Kinder, die sich so auch noch mit der Sorge tragen, sie selbst könnten ihre Großeltern gefährden.

Natürlich bietet die veränderte Situation Gelegenheit zum intensiven Zusammensein in der Familie und damit neue Chancen, aber die Gefahren der Isolation oder gar der Eskalation von Konflikten sind nicht von der Hand zu weisen. Für Eltern, die die Herausforderungen von Home Office und Home Schooling gleichermaßen bewältigen müssen und dabei regelmäßig das Gefühl haben, weder dem einen noch dem anderen gerecht zu werden, entsteht neuer, ungekannter Stress. Kinder, die wenig elterliche Unterstützung erfahren oder denen die technischen Möglichkeiten fehlen, werden kaum den häuslichen Unterrichtsstoff bewältigen, Bildungsungerechtigkeit wird verstärkt. Und was es mit Kindern macht, die bislang unbeschwert mit Freunden toben konnten und nun in jedem sozialen Kontakt die Gefahr der Ansteckung sehen, wird uns wahrscheinlich noch sehr lange beschäftigen.

Der Mensch ist ein soziales Wesen und unter den Bedingungen des Lockdown fällt uns auf, wie bedeutsam die Institutionen sozialen Lebens für uns sind: Bildungseinrichtungen, Sport, Kulturveranstaltungen, Bürgerhäuser, Vereine, Kneipen und Restaurants, Parks, Spielplätze, Schwimmbäder, Tageseinrichtungen. All das, was verschiedentlich als „Gedöns“, als „konsumtiv“ oder auch nur als „freiwillige Aufgabe“ und damit faktisch als zweitrangig klassifiziert wurde, rückt plötzlich ganz nach vorne auf der Werte- und Bedürfnisskala.

Kurzum: Die zur Pandemiebekämpfung notwendigen Kontaktbeschränkungen und Schließungen bergen große gesellschaftliche Risiken und müssen deshalb mit allergrößter Vorsicht, aber so schnell wie möglich schrittweise zurückgefahren werden, damit unser Zusammenleben nicht dauerhaft leidet.

Kinder brauchen Kitas und Schulen

In „Vor-Corona-Zeiten“ besuchten ca. 150.600 Kinder eine Kindertageseinrichtung in Sachsen-Anhalt. Die Betreuungsquote bei Drei- bis Sechsjährigen lag 2019 in Sachsen-Anhalt bei fast 94 Prozent – ein bundesweiter Höchstwert. Mit guten Kitas sorgen wir dafür, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktioniert und frühkindliche Bildung gestaltet wird. Kita und Hort sind Lern- und Lebensorte, in denen Kinder sich entwickeln, Beziehungen aufbauen und spielerisch lernen. Wie wichtig dieser Lernort ist, spüren im Moment viele Kinder wie auch Eltern sehr deutlich.

Durch die Schließung der Einrichtungen sollte die Verbreitung des Virus reduziert werden. Das ist gelungen und darf nicht verspielt werden. Die schrittweise Öffnung muss den Gesundheits- und Infektionsschutz beachten. Eine Notbetreuung für die Eltern, die auch im Shutdown arbeiten müssen, damit die Gesellschaft weiter funktioniert, war von Anfang an gegeben. Nutzten anfangs nur rund drei Prozent der Eltern diese Möglichkeit, so ist der Anteil der betreuten Kinder mit der 4. Eindämmungs-Verordnung bereits auf gut elf Prozent aufgewachsen. Darin spiegelt sich neben der Erweiterung der Zahl der Anspruchsberechtigten auch der zunehmende Druck, den Eltern verspüren, die die häusliche Betreuung bislang noch organisieren konnten, nun aber an die Grenzen des individuell Machbaren stoßen. Da gerade Alleinerziehende diesen Druck ganz besonders spüren, streben wir an, ihnen mit der nächsten Verordnung den Anspruch auf Notbetreuung grundsätzlich zu ermöglichen.

Die JugendministerInnen der Länder haben sich auf einen gemeinsamen Rahmen für die stufenweise Wiederöffnung der Kindereinrichtungen verständigt. Dabei sollen sowohl die Betreuungsbedarfe berufstätiger Eltern, besonders die von alleinerziehenden Eltern und solchen mit Beeinträchtigungen, berücksichtigt werden als auch die Bedürfnisse von Kindern, die besonders auf das Leben und Lernen in der Kita angewiesen sind (Kinder aus stationären Einrichtungen, mit besonderen Förderbedarfen, in beengten Wohnverhältnissen, aus Kinderschutzgründen).

Unter strikter Beachtung von Gesundheits- und Infektionsschutz sollen die Einrichtungen so schrittweise von der Notbetreuung zur erweiterten Notbetreuung und in den eingeschränkten Regelbetrieb übergehen. Erst wenn die Pandemie erfolgreich bewältigt wurde, kann von einem vollständigen Übergang in den normalen Regelbetrieb gesprochen werden. Für den zunehmenden Betrieb der Einrichtungen ist die Hygiene ebenso wichtig wie die Nachverfolgbarkeit von Kontakten. Es wird gesetzt auf stabile Bezugsgruppen und Vermeidung von Kontakten zwischen den Gruppen. So bleiben die Kontakte überschaubar. Insbesondere Fachkräfte aus den Risikogruppen sind zu schützen.

Mit der Schließung der Spielplätze steht den Kindern derzeit eine wichtige Spiel- und Freizeitmöglichkeit nicht mehr zur Verfügung. Die für Kinder- und Jugendhilfe zuständigen Ressortchefs der Länder und des Bundes setzen sich dafür ein, die Spielplätze wieder zu öffnen. Voraussetzung wird bei diesem für Eltern entlastenden Schritt sein, dass sich das Infektionsgeschehen nicht dramatisch verändert und eine Beaufsichtigung auf dem Spielplatz sichergestellt werden kann.

Während zu Beginn der Pandemie davon ausgegangen wurde, dass Kinder zu den Hauptträgern des Virus gehören, liegen zwischenzeitlich erste internationale Studien vor, die nicht nur feststellen, dass Kinder seltener erkranken, sondern auch in Frage stellen, dass sie stark zur Verbreitung beitragen. Die Studien sind unbedingt schnell durch Untersuchungen in Deutschland zu überprüfen, da davon die Spielräume bei der Wiederöffnung von Kitas, Schulen und Spielplätze abhängen.

Familien finanziell entlasten

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise treffen schon jetzt viele Familien mit besonderer Härte. Die Entlastung von Familien und die sozialstaatliche Unterstützung muss oberste Priorität haben, um finanzielle Einbußen auszugleichen, Risiken abzufedern und existentielle Ängste zu mindern.

Und da ist schon einiges passiert: Erwerbstätige Eltern haben sechs Wochen lang Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 67 Prozent ihres Einkommens, wenn sie im Zuge der Kita- und Schulschließungen ihrem Job nicht nachgehen konnten. Außerdem wurde der Zugang zur Grundsicherung erleichtert. So werden nicht nur Folgeanträge unbürokratisch für sechs Monate weiterbewilligt und die Ausgaben für Wohnung und Heizung in tatsächlicher Höhe anerkannt; es wird auch auf die Vermögensprüfung verzichtet. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil haben zudem, um kurzfristige Einkommenseinbußen abzufedern, den Kinderzuschlag (KiZ) zu einem „Notfall-KiZ“ erweitert. Das Kurzarbeitergeld erfüllt für sehr viele Eltern eine Brückenfunktion, bis sie ihren Beruf wieder vollumfänglich aufnehmen können. Das Soforthilfeprogramm für Solo-Selbständige, Angehörige freier Berufe und kleinere Unternehmen ist ein weiterer wichtiger Schritt zur finanziellen Unterstützung.

Auf Landesebene haben wir entschieden, den Gemeinden zu empeohlen, für den Monat April keine Elternbeiträge in Kitas und Horten zu erheben und ihnen dadurch entstehende Einnahmeausfälle zu erstatten. Da die Corona-Krise noch nicht überwunden ist und die Kindertageseinrichtungen noch nicht allgemein geöffnet sind, wollen wir den Erstattungszeitraum auch auf den Monat Mai ausdehnen. Dabei ist es unerheblich, ob eine Notbetreuung in Anspruch genommen wurde oder nicht. Soweit auch über den Monat Mai hinaus Eltern ihren Betreuungsanspruch nicht realisieren können, werden wir uns dafür einsetzen, dass das Land weiter zur Entlastung beiträgt.

Soziale Belastungen für Familien abfedern

Wenn Kinder zu Hause unterrichtet werden, sie ihre sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen einschränken müssen und auf das Austoben beim Fußballtraining zu verzichten haben, bleiben Spannungen nicht aus. Gerade in diesen Krisenzeiten, in denen zudem die wirtschaftliche Existenz von Eltern auf dem Spiel steht, kann es zu Konflikten kommen. Hier dürfen wir nicht wegsehen. Auch in Krisensituationen bleiben die Unterstützungs- und Beratungsangebote für Menschen erreichbar: Die Familienhilfe, die Nummer gegen Kummer und das Elterntelefon sind hier einige Beispiele.

Das Zusammenrücken zu Hause bedeutet in einigen Fällen leider auch eine erhöhte Gefahr für das Kindeswohl und die körperliche Unversehrtheit. Damit Hilfesuchende wissen, wo ihnen geholfen werden kann, müssen wir die Angebote zum Beispiel zur Beratung für Opfer sexualisierter Gewalt oder das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ noch stärker bewerben. Familienhilfe, offene Kinder- und Jugendarbeit und Beratungsangebote, sie alle werden in der Krise gebraucht. Neben telefonischen und Video-Beratungen werden auch neue Formen wie Beratungsgespräche über den Gartenzaun oder auf kurzen Spaziergängen praktiziert. Die Beratungsdienste unterstützen sich gegenseitig. Wo immer das Land diese Angebote fördert, werden sie weiter finanziert und angepasste, flexible Möglichkeiten zur Umsetzung vereinbart. Denn in der Krise sind sie noch dringlicher als sonst.

Solidarisch die Krise meistern – Blick nach vorn

Noch sind wir mitten in der Bekämpfung der Pandemie. Die kommenden Monate werden für Familien davon geprägt sein, dass das öffentliche Leben nur schrittweise wieder geöffnet wird. In Kitas und Schulen werden Hygiene, Abstand und Kontaktreduzierung prägend sein.

Wollen wir diese Phase solidarisch meistern und verhindern, dass die Kinder und Jugendlichen zurückbleiben, die auch vorher schon schlechtere Bildungschancen hatten, dann gilt es dafür Prioritäten zu setzen: Lerninhalte müssen wiederholt und gemeinsam bearbeitet werden. Das wird auch das kommende Schuljahr prägen. Freiwillige ergänzende Angebote, zum Beispiel in Kleingruppen, können helfen, um diejenigen mitzunehmen, die nach dem Home Schooling sonst den Anschluss verlieren. Dazu können auch Schulsozialarbeit und offene Kinder- und Jugendarbeit beitragen.

Der Ausbruch des Corona-Virus in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Halberstadt hat deutlich gemacht, wie gefährlich ein beengtes Zusammenleben in Gemeinschaftsunterkünften ist. Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden. Deshalb braucht es nach der Quarantänezeit ein neues Unterbringungskonzept mit kleineren Wohneinheiten, kürzerer Verweildauer und gesünderen Wohnverhältnissen – eine räumliche Entzerrung sichert den Schutz vor Infektionen, verbessert Integrationschancen und ermöglicht Asylsuchenden ein selbständiges Familienleben.

In vielen Fällen hat die Krise die Familien zusammengeschweißt und die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern gefestigt. Auch wenn wir uns nach unserer „alten Normalität“ sehnen, wird die Krise ganz sicher auch im familiären Zusammenleben einige nachhaltige Veränderungen hervorbringen, und manches, was wir schon immer beklagt haben, wird sich jetzt endlich ändern. Selbst wenn manche romantische Vorstellung vom Home Office nach dem Praxistest der Vergangenheit angehört: Die Möglichkeit des Wechselns zwischen Phasen der Arbeit im Büro und zu Hause wird künftig selbstverständlich werden. Deshalb ist es gut, wenn das Recht auf Home Office von Hubertus Heil jetzt ordentlich geregelt wird und damit die Chancen zur Vereinbarung von Beruf und Familie verbessert und flexibler möglich werden.

Von Andreas Dittmann und Silke Schindler

Die Covid-19-Pandemie macht deutlich, wie sensibel die Systeme in unserem Land miteinander verzahnt sind. Eine Schlüsselrolle nehmen hierbei die Städte und Gemeinden wie auch die Landkreise ein. Einerseits müssen alle Maßnahmen zur Pandemieeindämmung in den Gemeinden vor Ort umgesetzt und durchgesetzt werden. Andererseits tragen soziale Gemeinschaftsprojekte der Bürgerschaft wiederum direkt zur Aufrechterhaltung von sozialer Teilhabe bei. Haben Kommunen zuvor die Verantwortung für die Daseinsfür- und -vorsorge durch die Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen in den Bereichen Soziales, Schule, Sport und Kultur getragen, sind temporär Aufgaben der Prävention durch die Schließung all dieser Einrichtungen getreten und mehr noch, die Durchsetzung des Kontaktverbotes stellt eine Belastungsprobe für die Gemeinwesen dar.

Die notwendigen Einschränkungen insbesondere für Handel, Dienstleistungen und Gewerbe wirken sich massiv auf die unmittelbaren Lebensumstände der Menschen im Land aus. Darum war es folgerichtig, erste Unterstützungsprogramme in Form von Kurzarbeitergeld und Soforthilfen für Gewerbetreibende auf den Weg zu bringen. Die Übernahme der Kostenbeiträge der Eltern für Kindertagesstätten entlastet die Familien und stabilisiert den sozialen Frieden bei der sehr ausdifferenzierten Notbetreuung in den Kindertagesstätten.

Was bedeutet das für die Kommunen? Die Landkreise und kreisfreien Städte leisten erhebliche Mehraufwendungen im Rahmen der Pandemiebewältigung. Da Sachsen-Anhalt einen erheblichen Anteil an niedrigen Erwerbseinkommen hat, ist mit einem starken Zuwachs von Beziehern der Grundsicherung zu rechnen. Entsprechend steigen die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft. Eine Erhöhung des Bundesanteils wurde von Seiten des Bundesministers für Arbeit und Soziales zuletzt am 20. April 2020 gegenüber dem Präsidium des Deutschen Städtetages ausgeschlossen.

Einkommensverluste bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern führen zu geringeren Einkommenssteuern. Einkommensverluste reduzieren die Kaufkraft und führen auch zur Senkung von Umsatzsteuererlösen. Nicht zuletzt werden die Körperschafts- und Gewerbesteuern einbrechen. Die Kommunen sehen sich bereits jetzt Stundungsanträgen und Herabsetzungen von Vorauszahlungen von Gewerbesteuern gegenüber. Die Ausweitung von Möglichkeiten des Verlustvortrages zur Entlastung der Unternehmen führt wiederum zu sinkenden Steuereinnahmen der Kommunen.

Gleichzeitig steigen die Ausgaben für die Pandemiebewältigung unter anderem für die Ertüchtigung von Schulen und Kindertagesstätten zur Gewährleistung notwendiger Hygienestandards. Hinzu kommt eine große Erwartungshaltung von Handwerk und Gewerbe, dass die Kommunen zum einen nicht von geplanten Investitionsvorhaben und Werterhaltungsmaßnahmen abrücken und zum anderen gerade jetzt zusätzliche Aufträge auslösen, um Umsatzeinbrüche bei den Handwerks- und Gewerbebetrieben zu kompensieren bzw. neue Impulse zur Stärkung der Wirtschaft und Sicherung von Beschäftigungsverhältnissen setzen.

Hier sehen sich die Kommunen einer multiplen Herausforderung gegenüber: massive Einnahmeverluste in der Steuerkraft bei gleichzeitig wachsenden Auf- und Ausgaben, gepaart mit der Forderung nach zusätzlichen Investitionen, eingebunden in Entschuldungs- und Haushaltskonsolidierungsprogrammen.

Die Antwort darauf kann nicht die des Finanzministers gegenüber der Volksstimme vom 22. April 2020 sein, dass allein schon die Festbetragsfinanzierung im Finanzausgleichsgesetz und die laufenden Förderprogramme hinreichend seien. Diese beschreiben lediglich den Status quo und stellen gerade nicht auf die aktuelle und vor allem beispiellose Sondersituation ab.

Die Forderung der SPD Sachsen-Anhalt nach einem zusätzlichen kommunalen Infrastrukturprogramm und einer Erhöhung der kommunalen Investitionspauschale reiht sich deshalb folgerichtig in die bundesweite Forderung nach einem Rettungsschirm für Kommunen ein, wie er auch von den kommunalen Spitzenverbänden wie dem Deutschen Städtetag gefordert wird. Erfahrungen für ein solches Programm liegen mit dem Konjunkturpaket II aus dem Jahr 2009 vor. An die Stelle umfänglicher Richtlinien und Zieldefinitionen sollte das Vertrauen in die Kompetenz vor Ort treten. So wie die Umsetzung der (kurzfristigen) Maßnahmen zur Pandemieeingrenzung an die Gemeinden und Landkreise übertragen wurde und wird, muss die gleiche Kompetenzerwartung auch bei notwendigen Infrastrukturmaßnahmen gegeben sein.

Die kommunalen Verwaltungen und Gemeindegremien wissen im Detail, wo welche Defizite bestehen und verantworten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar den notwendigen Mitteleinsatz. Gerade unter dem Zwang der Haushaltskonsolidierungen mussten an die Stelle von Wunschlisten Prioritätensetzungen treten, die vor allem Verzicht und Selbstbescheidung zum Inhalt hatten. Insofern verfügen die Städte, Gemeinden und Landkreise über das notwendige Wissen und die Kompetenz, notwendige Infrastrukturmaßnahmen zu realisieren.

Zu einem Rettungsschirm für Kommunen gehört aber genauso die Überprüfung von aufsichtsrechtlichen Standards. Die Kommunen benötigen in dieser beispiellosen Ausnahmesituation Handlungsspielräume jenseits von Restriktionen und Haushaltskennziffern.

In der Zeit der Pandemie leisten viele Ehrenamtlichen sehr ideenreich Hilfe und Unterstützung. Auch hier zeigt sich wieder, dass die vielen Vereine und Verbände der Kitt in unseren Städten und Gemeinden sind. Daher ist es wichtig, dass diese auch weiterhin die Unterstützung der Gemeinden erfahren.

Es muss auch unter den erschwerten Bedingungen möglich sein, dass von den Gemeinden Zuschüsse und andere Formen der Förderung gewährt werden, die nicht der Haushaltskonsolidierung geopfert werden.

Von Rüdiger Erben

Einschneidende Ereignisse für die Sicherheit der Menschen in unserem Land führen auch immer dazu, dass die bisherigen Vorkehrungen auf den Prüfstand gestellt werden und neue Maßnahmen getroffen werden. Für jeden augenfällig war das nach den großen Hochwasserkatastrophen in den Jahren 2002 und 2013. Einschneidender für die Ausrichtung des Bevölkerungsschutzes waren jedoch die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001. Konsequenz aus dieser neuen Bedrohungslage war unter anderem die Einführung der sogenannten LÜKEX-Übungen. Diesen strategischen Krisenmanagement-Übungen werden von den obersten Krisenstäben und Krisenmanagementstrukturen auf Bundes- und Landesebene unter Einbeziehung der Kritischen Infrastrukturen gemeinsam durchgeführt.

Schon die dritte LÜKEX-Übung, die im Jahr 2007 durchgeführt wurde, hatte als Szenario nicht etwa eine terroristische Bedrohung oder eine Naturkatastrophe. Vielmehr übten die Behörden schon damals, wie eine weltweite Influenza-Pandemie in Deutschland zu bewältigen wäre. Anlass war die SARS-Pandemie 2002/03. Sachsen-Anhalt gehörte zu den aktiv übenden Bundesländern. Viele der damaligen Annahmen bestätigen sich in der aktuellen Corona-Krise. Glücklicherweise gibt es die damals befürchteten extremen gesamtgesellschaftlichen und gesamtstaatlichen Auswirkungen jedoch bislang nicht, und sie drohen aktuell auch nicht. Möglicherweise konnten wir die Corona-Krise in Deutschland bislang auch deshalb besser bewältigen, weil damals wichtige Schlüsse gezogen wurden. Dazu gehörten unter anderem der Nationale Pandemieplan sowie die Pandemiepläne der Länder und kommunalen Gesundheitsbehörden. Zumindest auf dem Papier war Deutschland auf eine solche Situation gut vorbereitet, womit wir uns deutlich von anderen europäischen Staaten unterscheiden.

Aktuell zeigt sich, dass sich die Betreiber der Kritischen Infrastrukturen, zum Beispiel die in der Energie- und Wasserversorgung, sogar vorbildlich auf Pandemie-Lagen vorbereitet haben. Sie haben auch materiell vorgesorgt, im Unterschied zu vielen staatlichen und kommunalen Stellen, die nur Papier beschrieben haben. Letzteres war vor allem zu Beginn der Corona-Krise das zentrale Problem in Deutschland, so auch in Sachsen-Anhalt. Dieses Problem muss angegangen werden, wenn wir auf zukünftige Krisenlagen besser vorbereitet sein wollen.

Genau das ist auch das Problem, welches den Bevölkerungsschutz in Deutschland seit vielen Jahren bremst. Bereits im Juli 2007 beschloss die Innenministerkonferenz ein Ausstattungskonzept über die ergänzende Ausstattung des Bundes für den Katastrophenschutz. Jedoch ist nach 13 Jahren ist zum Beispiel nicht ein einziges Löschfahrzeug aus der Brandschutzkomponente vom Bund an die Feuerwehren Sachsen-Anhalts ausgeliefert worden.

Wir wissen, dass alte Bedrohungen nicht verschwunden sind und neue Bedrohungen, ob durch weltweite Pandemien oder wegen der Klimaveränderungen, hinzugekommen sind. Es reicht nicht, hierauf planerisch vorbereitet zu sein, vielleicht auch die Bedarfe zu beschreiben. Konsequenz des Nichtstuns ist die unnötige Verwundbarkeit durch mangelndes Material und gestörte Beschaffungswege. Was wir jetzt bei medizinischer Schutzausrüstung erleben, ist nicht neu und kein Problem, das auf den gesundheitlichen Bevölkerungsschutz begrenzt ist. Nichts anderes hat sich früher bei der Verfügbarkeit von Sandsäcken in Hochwasser-Lagen gezeigt.

In anderen Krisenszenarien wäre es nicht anders. Ein langanhaltender, großflächiger Stromausfall ist kein unwahrscheinliches Szenario in Deutschland, selbst wenn wir die sicherste Stromversorgung der Welt haben. Die Konsequenzen wären dramatisch. Trotzdem haben die Katastrophenschutzbehörden in Sachsen-Anhalt keine nennenswerten Kapazitäten für Notstromversorgung. Und: Allen Katastrophenschutzbehörden in Sachsen-Anhalt stehen gerade einmal 7.408 Feldbetten, 12.126 Wolldecken und 46 Feldkochherde zur Verfügung. Eine Landesbevorratung gibt es überhaupt nicht- Damit kämen wir im Katastrophenfalle nicht weit.

Deshalb brauchen wir ein radikales Umsteuern bei der Bevorratung mit Material für den Bevölkerungsschutz. Nach den jüngsten Problemen mit mangelnder Bevorratung und zusammengebrochenen Beschaffungswegen bei medizinischer Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln sollten alle klug geworden sein: Deutschland und Sachsen-Anhalt brauchen einen ausreichenden Vorrat an Material für den Bevölkerungsschutz.

Für die Bevorratung mit Material für den gesundheitlichen Bevölkerungsschutz sollte in erster Linie der Bund zuständig sein. Hierfür spricht unter anderem, dass er auch heute schon für eine Sanitätsmittelbevorratung zuständig ist. Auch sind zahlreiche Verschränkungen mit dem Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr möglich. Der Bund lagert schon heute Lebensmittelreserven und Treibstoffe ein und organisiert deren Wälzung. Das kann er auch für medizinische Schutzbekleidung oder Desinfektionsmittel tun. Dann ist er in solchen Lagen, wie der aktuellen Corona-Krise, handlungsfähig und nicht mehr erpressbar. Dazu gehört aber auch, in notwendigem Maße wieder eigene Produktionskapazitäten für Schutzbekleidung in Deutschland aufzubauen. So etwas kann nur der Bund organisieren und nicht 16 einzelne Bundesländer.

Katastrophenschutz ist in erster Linie Ländersache. Zu befürchten ist, dass uns insbesondere die Klimaveränderung und hieraus folgende Extremwetterereignisse zunehmend fordern werden. Hierauf sind wir schlecht vorbereitet. Wir haben keine landeseigene Materialvorhaltung; die Reserven der kommunalen Katastrophenschutzbehörden sind, wie oben beschrieben, minimal. Deshalb ist es erforderlich, eine Landesreserve aufzubauen und diese nach dem Vorbild anderer Bundesländer vom DRK verwalten zu lassen. Dort ist alles zu bevorraten, was in einer länger anhaltenden Krisenlage für die Durchhaltefähigkeit erforderlich ist. Das Deutsche Rote Kreuz Sachsen-Anhalt hat im letzten Jahr ein Konzept entwickelt. Das sollten wir jetzt schnell und in Landesverantwortung umsetzen.

Was wir weiterhin brauchen, das ist ein Programm für Investitionen in die Technik der Katastrophenschutzbehörden. Der zunehmende Klimawandel mit der Gefahr von immer häufigeren und immer intensiveren Naturkatastrophen (Hochwasser, Unwetter, Waldbrand und Dürre) und der Anstieg der Verwundbarkeit der Gesellschaft beim Ausfall kritischer Infrastrukturen (zum Beispiel Stromausfall, Cyberangriff) stellt uns vor Probleme, auf welche wir unzureichend technisch vorbereitet sind. Erste Stufe muss die Ausstattung aller Landkreise und kreisfreien Städte mit leistungsfähigen Netzersatzanlagen zur Notstromversorgung sein.

Von Dr. Andreas Schmidt und Dr. Katja Pähle

Die Covid-19-Pandemie hinterlässt nach den Wochen der strikten Kontaktbeschränkungen Umsatz- und Einkommensausfälle in allen Branchen des wirtschaftlichen Lebens, sowohl bei den Unternehmerinnen und Unternehmern als auch bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Diese Ausfälle treffen Gastronomie, Einzelhandel und Hotellerie besonders stark, aber nicht allein. Die Soforthilfen in Kombination mit Ausgleichszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz, Kurzarbeitergeld und Grundsicherung haben diese Ausfälle zum Teil kompensieren können. Dennoch sind Einkommen und Umsätze ausgefallen, die nicht nachgeholt werden können, betriebliche Rücklagen und private Ersparnisse vermindert worden sowie Insolvenzen und Arbeitslosigkeit eingetreten.

Eine schnelle wirtschaftliche Erholung wird sich nicht im Selbstlauf ergeben. Der Staat ist deshalb in mehr als einer Rolle gefordert. Er muss zugleich Nachfrageimpulse setzen, Insolvenzen verhindern und eine mögliche Kreditklemme verhindern.

Denn Einschränkungen des öffentlichen Lebens werden längere Zeit fortbestehen, Abstandsregelungen, Schließungen und Personalausfälle im Fall von Infektionen, Kapitalmangel, Probleme bei der Wiederingangsetzung von Lieferketten, Investitionszurückhaltung und Konsumverzicht stehen noch vor uns. Die Rezession droht sich zu verstetigen und angesichts der für solche Situationen typischen Multiplikatoreffekte zu verschärfen.

Damit ergeben sich besondere Risiken für die kleinteiligen Unternehmensstrukturen in Sachsen-Anhalt. Obwohl Handwerksbetriebe auch unter den Beschränkungen der Pandemie-Bekämpfung weiter arbeiten können, drohen ihnen durch Kaufkraftverluste erhebliche Einbrüche bei der privaten Nachfrage. Um gegenzusteuern, kommt den Kommunen eine Schlüsselrolle zu. Deshalb haben wir frühzeitig ein kommunales Investitionsprogramm vorgeschlagen, das schon 2020 mit 75 Millionen Euro als Sofortprogramm wirken soll. Wir erweitern diesen Vorschlag zu einem umfassenden Investitionsprogramm, das auf allen Ebenen ansetzt.

Das kommt auch den Bedarfen der Kommunen, ihrer Bürgerinnen und Bürger entgegen. In vielen Städten und Gemeinden besteht seit langem ein Investitionsstau, weil den Kommunen das Geld fehlt, um in Schulen, Kitas, Jugendclubs, Schwimmbäder und andere Einrichtungen zu investieren. Wenn wir jetzt die Kommunen kräftig dabei unterstützen, bringen wir nicht nur die Wirtschaft vor Ort wieder in Schwung, sondern können mit vielen größeren und kleineren Maßnahmen unser Gemeinwesen nach der Krise stärken. Eine ähnliche Wirkung konnte in der Finanzkrise 2009 das sogenannte Konjunkturpaket II erzielen.

Bei den Krankenhausinvestitionen knüpfen wir an unsere Schwerpunktsetzung im Landeshaushalt 2020/21 an. Die SPD hat für die Verankerung von 150 Millionen Euro gesorgt, um Investitionen auf der Basis des beschlossenen Krankenhausplans umzusetzen. Mit dem ersten Nachtragshaushalt wurde diese Summe bereits um 25 Millionen Euro aufgestockt. Der Kampf gegen die Corina-Pandemie zeigt, wie richtig diese Schwerpunktsetzung war und dass jetzt weitere Schritte zum Abbau des Investitionsstaus an unseren Krankenhäusern erforderlich sind.

Wir schlagen daher ein investives Anti-Krisen-Paket im Umfang von zwei Milliarden Euro vor:

  • ein Investitionsprogramm für die Krankenhauslandschaft in Höhe von 150 Millionen Euro für die Jahre 2021 und 2022 und 450 Millionen Euro 2023 bis 2025, zusätzlich zum bereits geplantem Niveau von 150 Millionen Euro, um den Investitionsstau von 700 Millionen Euro abzuarbeiten
  • eine Erhöhung der Investitionspauschale für die Kommunen auf jeweils 300 Millionen Euro in den Jahren 2021, 2022 und 2023. Damit decken wir auch den kommunalen Investitionsbedarf ab, der mit den bisherigen Förderprogrammen nicht erfasst wurde
  • ein Investitionsprogramm für zusätzliche Investitionen in landeseigene Infrastruktur in Höhe von 200 Millionen Euro für 2021 und 2022
  • ein Investitionsprogramm in Höhe von 300 Millionen Euro für Schulen und Kindertagesstätten für die Jahre 2023 bis 2025 – mit dem Ziel, überall dort, wo STARK III nicht gegriffen hat oder die Mittel erschöpft waren, den Abbau des fortwährend bestehenden Investitionsstaus in diesem Bereich voranzutreiben
  • eine Investitionszulage – eventuell aus GRW-Mitteln gestaltet – für Investitionen im Beherbergungsgewerbe zur Modernisierung touristischer Unterkünfte in Höhe von 40 Millionen Euro
  • eine Landesbürgschaft in Höhe von zehn Millionen Euro für den Landestourismusverband, damit dieser Gutscheine zum Kauf für zukünftige touristische Übernachtungsbuchungen in Sachsen-Anhalt anbieten kann

Das Volumen beträgt für die Jahre 2021 und 2022 eine Milliarde Euro: die erste Sachsen-Anhalt-Milliarde. Für die Jahre 2023 bis 2025 wollen wir die zweite Sachsen-Anhalt-Milliarde aufwenden.

Zusätzliche Bedingungen für die Maßnahmen sollten sein:

Die Förderempfänger können komplette Projekte beantragen. Die Förderung wird nicht über einwohnerzahlgebundene Zuweisungen oder Pauschalen vergeben. Ein Großteil der Mittel fließt als 100-Prozent-Förderung über die kommunale Investitionspauschale. Bei dem Programm für die landeseigene Infrastruktur wird Investitionen, die die Wirtschaftlichkeit erhöhen und künftige Kosten einsparen helfen, der Vorzug gegeben.

Zur Verhinderung von Insolvenzen und zum Erhalt der sachsen-anhaltischen Unternehmenslandschaft schlagen wir vor:

  • die Fortführung der Landesbürgschaften
  • stille Landesbeteiligungen bei strukturprägenden Landesunternehmen
  • die Ablösung der Soforthilfen durch eine (degressive) Betriebssicherungshilfe zur Kompensation weiterhin bestehender Umsatz- und Einnahmeausfälle, die die Existenz der Betriebe gefährden. Kosten- und Einkommensersatz sollen in einem Programm zusammengeführt werden

Zur Vermeidung von Kreditklemmen schlagen wir vor:

  • ein Mittelstandskreditprogramm der Investitionsbank zur Sicherung von Liquidität und bereits geplanten Investitionen

Alle Formen von „Helikoptergeld“ lehnen wir ab. Helikoptergeld, auch in Form von Gutscheinen für Hotellerie und Gastronomie, würde alle Einkommens- und Vermögensschichten unterschiedslos begünstigen und damit zum Teil nicht die aktuelle Kaufkraft, sondern die Vermögen von Begüterten stärken. Noch weit wichtiger: Der einmalige Charakter der Verteilung von Helikoptergeld und die nur sehr kurzfristige Wirkung sind für das Wiederanlaufen von komplexen Volkswirtschaften schon wegen der Notwendigkeit längerer Wirkungen nicht sinnvoll.

Auch Steuersenkungen sind aus unserer Sicht kein geeignetes Mittel zur Wiederingangsetzung der Wirtschaft und zum Ankurbeln der Konjunktur. Die Senkung von Unternehmenssteuern wirkt zum einen nicht zielgenau, weil sie sowohl Branchen und Unternehmen begünstigt, die Ausfälle hatten und Hilfe benötigen, als auch die, die von der Krise unberührt sind oder sogar von ihr begünstig werden. Zum anderen bergen solche Steuersenkungen die Gefahr in sich, dass auch nach dem Ende der Rezession Druck entsteht, sie zu verstetigen. Das Unternehmenssteuerniveau ist in Deutschland ohnehin gering. Ein Steuersenkungswettbewerb ist gerade angesichts der Notwendigkeit, die notwendigen Mehrausgaben in der Krise zu refinanzieren, nicht angezeigt. Gleiches gilt für Senkungen der Einkommenssteuer. Für diese Steuerart kommt hinzu, dass kleine und mittlere Einkommen gar nicht oder ungleich geringer entlastet werden als große Einkommen und damit sowohl eine verhältnismäßig geringe Wirkung auf die Kaufkraft entsteht und zugleich die am schwersten von der Krise getroffenen Gruppen am wenigsten entlastet würden.

Beate Bröcker ist Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration.

Andreas Dittmann ist Bürgermeister der Stadt Anhalt/Zerbst und Landesvorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK).

Rüdiger Erben MdL ist Parlamentarischer Geschäftsführer und innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Mitglied des SPD-Landesvorstands.

Petra Grimm-Benne ist stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration.

Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen MdL ist kulturpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion.

Juliane Kleemann ist Landesvorsitzende der SPD.

Susi Möbbeck ist Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration, Integrationsbeauftragte der Landesregierung und Mitglied des Geschäftsführenden SPD-Landesvorstands.

Dr. Katja Pähle MdL ist Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Mitglied des SPD-Präsidiums und Mitglied des Geschäftsführenden SPD-Landesvorstands.

Silke Schindler MdL ist stellvertretende Vorsitzende und kommunalpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion.

Dr. Andreas Schmidt MdL ist finanzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Landesvorsitzender der SPD.

Andreas Steppuhn MdL ist stellvertretender Vorsitzender und arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.

Prof. Dr. Armin Willingmann ist Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung und stellvertretender Landesvorsitzender der SPD.

Thomas Wünsch ist Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung.